Universum der Doppelgänger
ihr mich nicht runter!«
»Und ob!« sagte Yockwell. »Bis später!« Ein Tritt in den Hosenboden stieß Lafayette vorwärts; halb sprang, halb fiel er die Treppe hinunter, um auf allen vieren in einer niedrigen Kammer zu landen, die von einer einzigen Talgkerze erhellt wurde und von vergitterten Käfigen eingerahmt war, aus denen zottige, tierische Gesichter starrten. Auf einer Seite des Raums saß ein gedrungener, enorm breitschulteriger Mann auf einem dreibeinigen Hocker und säuberte seine Fingernägel mit einem Jagdmesser.
»Willkommen in unserer Gruppe«, sagte der Wärter mit einer Stimme wie eine Fleischmaschine, die Knorpel durchkaut. »Kannst von Glück sagen, daß wir gerade einen freien Platz haben.«
Lafayette sprang auf und machte zwei Schritte, bevor ein Eisengitter herabkrachte und den Treppenaufgang verschloß.
»Das war knapp«, erklärte der Wärter. »Noch zwanzig Zentimeter, und ich müßte jetzt dein Gehirn aufwischen.«
»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte Lafayette mit gebrochener Stimme.
»Laß die dummen Witze«, sagte der Gefängniswärter und klimperte mit seinen Schlüsseln. »Du bist wieder im Loch, und diesmal wirst du nicht entwischen.«
»Ich verlange einen Anwalt. Ich weiß nicht, wessen man mich beschuldigt, aber was immer es ist, ich bin unschuldig!«
»Du hast nie jemand über die Rübe gehauen?« Der Wärter hob die Brauen in gespielter Überraschung.
»Nun, was das angeht …«
»Du hast nie jemand abgemurkst?«
»Nicht absichtlich. Das war reine Notw…«
»Diebstahl hast du auch nie begangen, was? Und du bist nie aus Versehen ins falsche Schlafzimmer geschlichen, wie?«
»Ich kann alles erklären!« rief Lafayette.
»Laß es lieber«, sagte der Wärter und wählte einen Schlüssel aus. »Die Verhandlung war schon, und du wurdest in allen Punkten schuldig gesprochen. Leg dich hin und schlaf ein paar Stunden, damit du morgen in Form bist.«
»Morgen? Was ist morgen?«
»Nicht viel.« Der Gefangenenwärter packte Lafayette am Kragen seines beschmutzten und zerrissenen Samtrocks und stieß ihn in eine Zelle. »Nur eine kleine Enthauptung mit dir als Attraktion.«
Lafayette kauerte in der Ecke seiner engen Zelle und bemühte sich, seine verschiedenen Schmerzen und die juckenden Bisse der Tierchen zu ignorieren, die sein Quartier mit ihm teilten. Die Luft war feucht und muffig, erfüllt von fäkalischen Gerüchen und dem Schnarchen der anderen Häftlinge. Er versuchte auch, mit geringerem Erfolg, seine Gedanken von dem schrecklichen Ereignis abzulenken, das für den kommenden Morgen geplant war.
»Arme Swinhild«, murmelte er zu seinen Knien. »Sie wird glauben, ich sei weggelaufen und hätte sie verlassen. Und nun ist sie allein in dieser elenden Imitation einer mittelalterlichen Stadt, ohne Geld, ohne Freunde, ohne einen Ort, wo sie ihren Kopf betten kann …«
»He, Lafe«, zischte eine vertraute Stimme aus dem Dunkel hinter ihm. »Hierher. Wir haben sechs Minuten, zum Tor zu kommen, bevor die Nachtpatrouille ihre nächste Runde macht!«
»Swinhild!« murmelte Lafayette und stierte den wirren Blondschopf an, der durch die rechteckige Öffnung in der Rückwand der Zelle schaute. »Wo hast du … Wie … Was …?«
»Still!« hauchte sie. »Du weckst den Wärter!« Lafayette sah sich um. Der Wärter saß wie ein träumender Buddha auf seinem Hocker, die Hände über dem Bauch gefaltet, Kopf und Rücken gegen die Wand gelehnt.
»Ich muß rückwärts kriechen«, sagte Swinhild. »Komm mit; es ist ein langer Weg.« Ihr Gesicht verschwand. Lafayette erhob sich und kroch mit dem Kopf voran in die schwarze Öffnung. Dahinter lag ein enger Tunnel, kaum weit genug, ihn durchzulassen. Kalte Zugluft wehte ihm entgegen.
»Steck den Stein wieder in die Wand«, zischte Swinhild.
»Wie? Mit meinen Füßen?«
»Nun – dann laß ihn. Vielleicht merken sie es nicht so bald, bei dem schlechten Licht.«
Sein Gesicht stieß in der Finsternis gegen das ihre. Ihre Lippen knabberten an seiner Wange. Sie kicherte.
»Wie hast du erfahren, wo ich war?« fragte Lafayette, während er ihr nachkroch.
»Der Wirt sagte mir, daß sie dich mitgenommen hätten. Ich folgte euch zum Tor und freundete mich mit den Jungen dort an. Einer von ihnen verriet mir diesen Weg. Anscheinend ist ein anderer erst vor ein paar Tagen durch diesen Tunnel entwischt.«
»Das haben sie dir gesagt, nach ein paar Minuten Bekanntschaft?«
»Nun, du mußt es mit ihren Augen sehen, Lafe. Schlechte
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