Universum der Doppelgänger
…«
Lafayette krabbelte aus seinem Versteck und sprang auf. Der Besitzer der Stiefel – ein großer, schlanker Höfling vom Typ des angejahrten Frauenhelden – fuhr herum, griff an seinen Degen und starrte wild über O’Leary weg, an ihm vorbei und durch ihn. Hinter Chauncy stand Daphne – oder Gräfin Andragorre –, in einer Art Bikini aus weißen, durchbrochenen Spitzen auf einem wohlgeformten Bein und massierte die Zehen des anderen Fußes. Lafayette ging auf den Mann zu, holte aus und landete einen wohlgezielten, krachenden Kinnhaken, der den Mann gegen die Wand zurücktaumeln ließ, wo er abprallte und steif vornüber kippte.
»Chauncy!« flüsterte die Dame, mit entsetzt geweiteten Augen auf den gefällten Liebhaber starrend. »Was – wie – warum…«
»Ich werde diesen Lüstling lehren, in Damenschlafzimmer zu schleichen und beim Aufknöpfen zu helfen«, knirschte Lafayette. »Und was dich angeht, ich schäme mich für dich, diesen Gigolo so anzulocken!«
»Ich höre deine Stimme … Oh, Geliebter, ich kann dich hören, aber ich sehe dich nicht! Wo bist du? Du bist nicht … ein Geist?«
»Weit davon entfernt!« Lafayette zog den Umhang von seinem Gesicht zurück. »Ich bin aus Fleisch und Blut, und alles, was ich über dieses Schauspiel zu sagen habe, ist …«
Die Dame starrte einen Moment in O’Learys Gesicht; dann verdrehte sie ihre Augen nach oben, stieß einen Seufzer aus und klappte zusammen.
»Daphne!« platzte er heraus. »Wach auf! Ich vergebe dir! Aber wir müssen schnell von hier verschwinden!« Als er sich über sie beugte, donnerten Schläge gegen die Tür.
»Da ist ein Mann drin!« schrie eine zornige Stimme. »Los, Leute, brecht sie auf!«
»Warte doch, Sarge – ich habe einen Schlüssel …«
»Du hast mich gehört!« Ein donnerndes Krachen erschütterte die Tür in ihrem Rahmen, als schwere Körper sich dagegen warfen und abprallten.
»Also klar, wir nehmen den Schlüssel.« Lafayette schob seine Arme unter das ohnmächtige Mädchen und hob es auf, wankte mit seiner Last zu den schweren Vorhängen der Fensterseite und schlüpfte hinter sie, als das Schloß klickte und die Tür aufflog. Drei große Männer in kirschroten Röcken, weißen Kniehosen und Spitzenkragen und -manschetten stürzten mit gezogenen Degen in den Raum und kamen rutschend zum Stillstand.
Sie starrten umher, dann begannen sie vorsichtig den Raum zu durchsuchen.
»He!« sagte einer. »Niemand da.«
»Ja, aber wir hörten Stimmen, nicht?«
»Wir haben uns eben geirrt.«
»Entweder das, oder …«
»Oder wir sind alle am Durchdrehen.«
»Oder der Ort ist verwünscht.«
»Also, ich muß jetzt zurück zu meinem Brettspiel«, sagte einer und zog sich zur Tür zurück.
»Warte!« befahl der Sergeant. »Ich sage es, wann wir zu unserem Brettspiel zurückkehren!«
»Ja? Du willst hierbleiben und dem Mann ohne Kopf die Hand schütteln?«
»Und wie du sagtest, es wird Zeit, daß wir wieder zu unserem Brettspiel kommen«, schloß der Sergeant. »Gehen wir.«
Schritte entfernten sich zur Tür. Als sie dort anlangten, hörte Lafayette ein ankündigendes Knacken von seinem Degenknauf.
»O nein!« hauchte er.
»Schmetterling an Schlappohr«, erklang eine gereizte Stimme in der Nähe seines linken Ellbogens. »Was geht vor, Schlappohr? Sie haben seit mehr als zehn Minuten keine Meldung gemacht!«
»Dort drüben«, sagte eine gespannte Stimme. »Hinter den Vorhängen.«
»Schlappohr? Bitte melden!«
»Halt’s Maul, Quatschkopf!« zischte Lafayette in die Richtung seiner linken Hüfte. Im nächsten Moment wurde der Vorhang grob zur Seite gerissen.
»Jesus!« sagte der Mann und starrte mit großen Augen O’Learys Bürde an.
»Ich werd’ verrückt!« schnaufte der Kamerad, der über seine Schulter spähte, und fuhr mit einer dicken rosa Zungenspitze über seine Unterlippe.
»Heiliger Moses«, sagte der dritte. »Sie … sie schwebt in der Luft!«
»He – sie schwebt zur Balkontür!« sagte der erste Mann, als O’Leary sich seitwärts weiterschob. »Versperrt ihr den Weg!«
Als die drei Palastwächter seinen Fluchtweg blockierten und einer von ihnen vorsichtig nach dem baumelnden Arm des Mädchens griff, trat O’Leary ihn hart gegen die Kniescheibe und wich rasch aus, der Mann schrie auf und umklammerte, auf einem Bein hüpfend, sein Knie. Die beiden anderen waren im Moment abgelenkt, und der Weg schien frei. Lafayette sprang vorwärts, fühlte einen ruckartigen Widerstand an seinen Schultern,
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