Universum der Doppelgänger
sagte Lafayette mit hohlem Lachen. »Die Einsamkeit hat bei dir ein paar Schrauben gelockert.«
»Hör auf zu quatschen, damit ich wieder einschlafen kann«, sagte die mißmutige Stimme.
»Im Gegenteil. Wach auf, Schlafmütze! Vielleicht können wir zu zweit etwas für unsere Befreiung tun!«
»Du bist selber verrückt, Mann. Genauso verrückt wie dieser schleimige kleine Krupkin. Aber zum Glück ist alles ein Traum, eine Illusion. Beverly – ich meine, die Gräfin Andragorre ist nicht wirklich in den Klauen dieses ekelhaften Kerls. Ich bin nicht wirklich in einem Kerker, und dieser Hunger, der in meinen Eingeweiden wühlt, ist auch nicht wirklich. Und wenn du jetzt den Mund halten würdest …«
»Gräfin Andragorre?« rief Lafayette. »Was weißt du von ihr?«
»Was ich von ihr weiß? Ah, diese süßen, weichen Lippen, dieser wohlgeformte, kleine Körper …«
»Was, du …!« O’Leary beherrschte sich. »Hör mich an, wer immer du bist! Du mußt dich der Realität stellen! Du mußt mir helfen! In diesem Moment ist die Gräfin Andragorre in den Händen dieser Lüstlinge – und wenn ich Hände sage, meine ich Hände …«
»Was heißt Realität? Erst letzte Woche sagte Mr. Bowser zu mir: ›Lorenzo, mein Junge, du hast eine große Zukunft im Lebensmitteleinzelhandel vor dir. Und dann …«
»Lorenzo! Dann bist du derjenige, der die Gräfin Andragorre verraten hat!« Lafayette stürzte in die Richtung, aus der die Stimme kam, prallte gegen die Wand und handelte sich eine neue Beule ein. »Wo bist du?« keuchte er, wild in die Dunkelheit greifend. »Du schmutziger, betrügerischer, hinterhältiger, verworfener Teufel!«
»Was regst du dich so auf?« japste die Stimme aus der gegenüberliegenden Ecke. »Was bedeutet dir Bever … ich meine die Gräfin Andragorre, du Galgenvogel?«
»Galgenvogel, wie?« schnaufte Lafayette, während er die verabscheuungswürdige Stimme beschlich. »Na warte, du …« Er sprang, bekam beinahe einen Arm in seinen Griff, sah Sterne, als eine Faust sein Auge traf.
»Laß mich in Ruhe, Kerl!« rief die Stimme. »Als ob ich nicht schon genug Ärger hätte! Schmeißen die einen tobsüchtigen Irren zu mir in die Zelle!«
»Du hast sie mit deinen lügnerischen Schmeicheleien aus der Stadt gelockt, um sie ihrer Tante auszuliefern! Ich meine, dieser alten Fledermaus, die für Krupkin Handlangerdienste leistet!«
»Das ist, was Rodolfo dachte – aber nachdem ich sie gesehen hatte, dachte ich natürlich nicht mehr daran, sie dorthin zu bringen. Nicht, daß es dich was anginge!«
»Wohin hattest du sie gebracht? Zu irgendeinem kleinen Liebesnest, was?«
»Ja, wenn du es genau wissen willst. Ich hätte es auch geschafft, wenn nicht eine Bande berittener Polizei durch den Wald geschwärmt wäre. Wir mußten rennen, und das Schicksal wollte, daß dieser langbeinige Scheich, Lord Chauncy, auf der Jagd war und uns erwischte.«
»Oh. Nun, vielleicht ist es so genauso gut. Hier hat sie wenigstens ein anständiges Bett.«
»Was? Was weißt du über Bever…, ich meine, Gräfin Andragorres Bett?«
»Viel. Ich verbrachte gerade eine aufregende halbe Stunde darunter.«
»Darunter, sagtest du?«
»Genau. Ich hörte, wie sie die unzüchtigen Ansinnen dieses Chauncy zurückwies. Ich hatte meinen fliegenden Teppich draußen auf dem Balkon. Gerade als ich mit ihr verduften wollte, kam die Palastwache.«
»Ja, ich warnte Krupkin vor diesem Chauncy. Anscheinend kam die Wache gerade zur rechten Zeit!«
»Zu früh! Ich hatte sie in meinen Armen, als diese Kerle zur Tür hereinstürmten und uns überraschten …«
»Was, du …« Ein unsichtbarer Körper schoß an O’Leary vorbei. Er streckte einen Fuß aus und hatte die Befriedigung, des anderen Knöchel zu verhaken. Lorenzo krachte dumpf gegen die Wand und fiel ächzend ins schmutzige Stroh, was den Schmerz in Lafayettes anschwellendem Auge beträchtlich linderte.
»Hör zu, Lorenzo«, sagte Lafayette, »es hat keinen Sinn, daß wir hier im Dunkeln herumtoben. Anscheinend liegt uns beiden an der Wohlfahrt der Gräfin Andragorre. Keiner von uns wünscht sie in Krupkins Klauen zu sehen. Warum arbeiten wir nicht zusammen, bis sie in Sicherheit ist, und regeln dann unsere Meinungsverschiedenheiten?«
»Zusammenarbeiten, ha!« schnaufte O’Learys ungesehener Mithäftling von einem Punkt nahe am Boden. »Was gibt es zu arbeiten? Wir sitzen mit leeren Händen im Dunkeln. Oder hast du was?«
»Sie haben mich ausgeplündert«, sagte O’Leary.
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