Unmoralisch
berühren konnte.
Er hörte, wie sie sich im Bad wusch, und sah ihr dabei zu, wie sie sich rasch anzog. Sie sagte kein Wort. Als sie fertig war, blieb sie noch einmal kurz im Türrahmen stehen. Sie sah ihn mit ausdrucksloser Miene an, dann drehte sie sich um und ging und ließ ihn allein zurück.
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus unruhigen Träumen. Er warf einen Blick auf die Uhr und griff dann stöhnend nach dem Hörer. Es war halb zehn. Die morgendliche Besprechung im Büro war schon seit einer Stunde im Gange.
»Ja, ich bin zu spät«, brummte er ins Telefon. »Kannst mich ja verklagen.«
Er rechnete damit, eine bissige Erwiderung von Maggie zu hören. Stattdessen aber drang, nach einer kurzen Pause, ein dunkles, spöttisches Lachen aus dem Hörer, das er noch nie gehört hatte.
»Ist da Lieutenant Stride? Sie klingen, als wären Sie gerade aufgewacht.«
Stride ließ sich ins Kissen zurücksinken und schloss die Augen. »Ich bin auch gerade erst aufgewacht. Und ob ich Stride bin, kann ich erst sagen, nachdem ich mir einen Kaffee gemacht habe. Einigen wir uns doch einfach darauf, dass Sie sich verwählt haben.«
»Das ist aber schade. Eine gewisse Maggie hat mir erzählt, Sie sind ein großartiger Telefonsexpartner.«
Stride musste lachen. Er war verwirrt, aber gleichzeitig war seine Neugier geweckt. »Ich frage mich, woher Maggie das wissen will. Wer sind Sie denn eigentlich?«
»Mein Name ist Serena Dial von der Sheriffstation Clark County. Ich habe ein paar Neuigkeiten über einen alten Fall von Ihnen, Lieutenant, die Ihnen wahrscheinlich nicht gefallen werden.«
»Clark County?«, fragte Stride.
»Das ist in Nevada«, erklärte Serena. »In Las Vegas.«
Las Vegas. Mit einem Schlag war Stride hellwach. Es spielte keine Rolle, dass drei Jahre vergangen waren – er wusste genau, warum Serena anrief. Rachel. Der Name des Mädchens hallte in seinem Kopf wider, und er sah ihren Körper auf dem unglaublichen Foto wieder vor sich.
Das Schweigen zwischen ihnen dauerte an. Schließlich sagte Stride: »Ich nehme an, Sie haben sie verhaftet.«
»Nein. Sie liegt im Leichenschauhaus.«
»Rachel ist tot?«
Er begriff es nicht. Wenn er sich in müßigen Momenten vorgestellt hatte, dass ihn jemand aus Las Vegas anrief, war Rachel immer am Leben gewesen. Manchmal hatte er sich sogar vorgestellt, dass sie ihn selbst anrufen würde.
»Ja, sie ist tot. Ermordet. Wir haben ihre Leiche in der Wüste gefunden. Ich kann mir denken, dass das für Sie Probleme aufwirft.«
Stride fragte sich, ob er nicht doch noch träumte. »Wann ist es passiert?«
»Vor ein paar Tagen. Genaueres können wir noch nicht sagen«, antwortete Serena.
Also war sie tatsächlich am Leben gewesen, dachte Stride. Bis jetzt. »Wissen Sie, was passiert ist? Wer sie umgebracht hat?«
»Bis jetzt noch nicht«, sagte Serena. »Aber wenn Sie mich heute Abend am Flughafen abholen würden, könnten wir vielleicht zusammen daran arbeiten.«
»Sie kommen hierher?«
»Die Spur führt zu Ihnen, Lieutenant. Nach Duluth.«
6
Maggie teilte jedem, der mit ihr fuhr, bereitwillig mit, dass sie nicht dafür gemacht sei, einen Jeep zu steuern. Sie musste sich auf ein Telefonbuch setzen, um überhaupt über das Steuerrad schauen zu können, und die Gas- und Bremspedale waren erhöht worden, damit sie sie mit den Füßen erreichen konnte. Bevor sie vor zwei Jahren Eric Sorenson geheiratet hatte, war sie einen winzigen Suzuki Geo Metro gefahren. Aber Eric war früher Schwimmer gewesen und bei den Olympischen Spielen angetreten, und er passte einfach nicht in ihr kleines Auto. Deshalb war ihre erste gemeinsame Anschaffung ein sehr viel größerer Wagen gewesen, mit dem auch Eric fahren konnte, ohne dabei die Knie an die Brust ziehen zu müssen.
Stride fuhr nur ungern mit Maggie. Sie war nie eine besonders gute Autofahrerin gewesen, und die improvisierten Hilfskonstruktionen, die sie geländewagenfähig machen sollten, taten ihrem Fahrstil nicht gerade gut. Außerdem hatte er das Gefühl, dass sie mit ihm noch unvorsichtiger als sonst fuhr, nur um ihn zu ärgern. Er gab sich die allergrößte Mühe, nicht mit dem Fuß auf eine imaginäre Bremse zu treten und in den vielen brenzligen Situationen nicht allzu merklich zusammenzuzucken.
Es war Donnerstag und früher Abend. Serena Dials Flugzeug aus Las Vegas mit Zwischenstopp in Minneapolis sollte in einer halben Stunde ankommen. Je weiter sie sich vom Seeufer entfernten und den Miller Hill in Richtung
Weitere Kostenlose Bücher