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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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Gebäude der Stadtverwaltung und fuhr beim Krankenhaus vorbei. Dort sagte man ihm, Emily Stoner sei vor einer Stunde entlassen worden. Dayton Tenby habe sie abgeholt. Stride war kaum überrascht gewesen, als er von ihrem Selbstmordversuch erfahren hatte. Es war immer ein gefährlicher Zeitpunkt, wenn ein Elternteil oder Ehepartner nach Wochen oder Monaten vergeblicher Hoffnung auf ein Wunder die Wahrheit erfuhr. Die Realität traf diese Menschen mit der Wucht einer Abrissbirne, und oft war das nicht zu ertragen.
    Stride beschloss, heute nicht mehr bei den Stoners vorbeizufahren. Er hatte ihnen nichts Neues zu berichten, und er vermutete, dass Emily von den Ärzten Anweisung erhalten hatte, sofort ins Bett zu gehen. Er hatte Graeme schon am Telefon von dem einzigen entscheidenden Fund hinter der Scheune erzählt, dem blutgetränkten Stückchen Stoff, das vielleicht von Rachels Pullover stammte.
    Also fuhr er nach Hause.
    Schneematsch bedeckte die Straßen. Es hatte den ganzen Tag über geschneit, und der Schnee hatte die Straßen und den Wald rings um die Stadt unter sich begraben. Die Suchaktion hinter der Scheune ging weiter, allerdings quälend langsam. Den Polizisten hingen Eisklumpen in Haaren und Schnurrbärten, und die Kälte kroch durch das Leder ihrer Stiefel. Sie gruben, kratzten und verfluchten den Schnee. Und inzwischen hatten sie auch mit einer weiteren, unheilvolleren Suche begonnen. Gemeinsam mit einer Gruppe Freiwilliger aus der Gegend waren sie in das Waldgebiet rund um die Scheune ausgeschwärmt und suchten nach Rachels Leiche. Sie durchwühlten den Schnee mit Skistöcken und gruben an allen Stellen, an denen sie etwas Ungewöhnliches vermuteten. Mit Funkgeräten hielten sie Guppo im Polizeibus über ihre Fortschritte auf dem Laufenden, während er auf dem Computer immer neue Suchraster ausarbeitete.
    Stride hatte wenig Hoffnung, dass sie etwas finden würden. Die Weite der Wälder kam Mördern zugute. Sie hatten tausende Quadratkilometer zur Verfügung, um ihre Leichen zu verstecken. Meistens verschwanden die Opfer einfach, wie Kerry Mc-Grath, und dabei blieb es dann. Sie lagen irgendwo dort draußen, wo sie entweder verscharrt oder einfach nur fernab der nächsten Straße deponiert worden und den wilden Tieren ausgesetzt waren. Stride schauderte, wenn er sich vorstellte, dass Rachel gerade dasselbe Schicksal erlitt. Aber das schiere Ausmaß des Gebiets und der Schneeeinbruch ließen ihn daran zweifeln, dass sie jemals einen anderen Beweis für Rachels Tod finden würden als dieses eine Stückchen weißen Stoffs.
    Stride schaltete sein Handy ein und sah, dass der Akku fast leer war. Das Ladekabel hatte er auf dem Schreibtisch liegen lassen. Aber er war ja ohnehin fast zu Hause. Er rief seine Mailbox an und fragte die Nachrichten ab.
    Die erste stammte von Maggie, gegen zwei Uhr am Nachmittag. Sie war ebenso kurz wie klar. »Leck mich, Boss.«
    Er lachte bei der Vorstellung, wie ihre Befragungen in der High School wohl abgelaufen waren.
    Die zweite Nachricht kam aus dem Labor, vor etwa einer Stunde. Sie hatten den Fleck auf dem Stoffstück als menschliches Blut identifiziert und die Blutgruppe AB bestimmt, Rachels Blutgruppe. Die DNA-Ergebnisse standen noch aus.
    Die letzte Nachricht auf der Mailbox stammte von acht Uhr, vor kaum fünf Minuten. Er dachte, dass es wahrscheinlich wieder Maggie war, die die Ergebnisse des Tages berichten wollte. Aber es war jemand anders.
    »Hallo, Jon«, sagte eine sanfte, nervöse Stimme. »Hier ist Andrea. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass du drangehst, ich wollte nur einfach deine Stimme hören. Das klingt jetzt sicher albern. Und ich nehme an, es klingt auch ziemlich albern, wenn ich dir sage, dass du mir fehlst. Aber genau so ist es. Offenbar hast du ganz schön Eindruck bei mir hinterlassen. Na ja, wie auch immer, ich bin noch in der Schule und arbeite. Ich sitze im Chemielabor und muss einen Riesenstapel Klausuren korrigieren, aber irgendwie denke ich die ganze Zeit an uns. Und an Freitag. Ich weiß, du hast wenig Zeit, aber ich hoffe trotzdem, dass wir uns bald wiedersehen. Das fände ich wirklich schön. So, jetzt hab ich mich völlig zum Narren gemacht, aber das ist ja auch nichts Neues. Also, ruf mich doch irgendwann mal an. Mach’s gut, Jon.«
    An der nächsten Kreuzung wendete Stride seinen Jeep und fuhr den Hügel hinauf, zur High School.
    Er bog in den Parkplatz ein, wo sich links die Stadt Duluth unter ihm ausbreitete, und hielt in einer

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