Unschuldig
führt, seinen Job übernehmen.«
»Und warum?«
»Er war überfordert, behauptet Schaub, der Produktionsleiter. Er machte zu viele Überstunden und hatte irgendwelche Auseinandersetzungen mit der Redaktion. Die vom Sender hatten klare Anweisungen gegeben, zum Beispiel keine Handkamera, aber Möller hat das Ding immer wieder eingesetzt.«
»Hast du darüber Genaueres?«, hakte Paula nach.
»Noch nicht wirklich. Aber eine Ablöse ist so ziemlich das Schlimmste, was einem Regisseur passieren kann. Versaut den Ruf bei den Fernsehsendern und Auftraggebern.«
»Geht es auch ums Geld bei einer Ablösung oder nur um die Reputation?«
»Ums Geld geht es nicht. Sein Honorar wird die Produktion zur Gänze bezahlen müssen, ich hab mir seinen Vertrag zeigen lassen.«
»Wusste Möller, dass er ersetzt werden sollte?«, wollte Paula wissen.
»Keine Ahnung. Im Büro sagten sie nur, Lea Buckow wollte ihm das noch gestern Abend persönlich mitteilen.«
»Also müssen wir dringend mit Möller reden.«
»Unbedingt. Zumal die Woerner behauptet, Lea Buckow und Tim Möller hatten ein Verhältnis.«
Als Paula mit Tommi das Büro in der Keithstraße verließ, um die Befragungen von weiteren Filmleuten fortzusetzen und vor allem, um mit Möller zu reden, fragte sie: »Ist damit zu rechnen, dass Möller keine neuen Aufträge bekommt?«
»Wahrscheinlich. Der Markt ist sowieso überschwemmt von Regisseuren und Kameramännern. Von Autoren und Schauspielern ebenfalls. Bei deren Ansprüchen schaffen sie es wohl nicht, von einem Film pro Jahr angemessen zu leben. Zwei, drei Filme braucht man da wohl schon, um den Standard halten zu können.«
»Was verdient man denn so als kameraführender Regisseur?«
»Kommt ganz drauf an. In Möllers Vertrag steht eine Pauschalgage von achtzigtausend Euro.«
Paula schaute Tommi nachdenklich an. Von so einem Einkommen konnte man bei der Polizei nur träumen. War die Kränkung einer Ablöse wirklich ein ausreichendes Mordmotiv? Vor allem für eine derart brutale Vorgehensweise?
10
Z ahlreiche Leute vom Filmteam standen grüppchenweise vor dem Restaurant auf dem Ku’damm, teils mit angeödeten, teils mit besorgten Gesichtern. Nadine Woerner hatte gerade einen hysterischen Anfall. Die Dreharbeiten waren unterbrochen worden, der Regisseur musste sich um die Schauspielerin kümmern. Beleuchter und Techniker standen mit gleichgültigen Mienen vor dem Catering-Wagen und versorgten sich mit Getränken. Der junge Service-Mann erfüllte alle Wünsche mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit. Der theatralische Auftritt der Schauspielerin wurde von den Filmarbeitern ignoriert, so als seien Weinkrämpfe und Schreie an der Tagesordnung. Nur das Mädchen von der Garderobe hatte Tränen in den Augen und blickte mitleidsvoll auf Nadine Woerner, die sich vor dem Eingang des Restaurants verzweifelt in Möllers Arme warf.
Neugierige Passanten blieben auf dem Ku’damm stehen und warteten vor der Absperrung auf weitere Sensationen.
»Scheiß Spanner«, sagte eine junge Frau, die ein Tablett mit vier Bechern Kaffee und Plunderteilchen an Paula vorbeibalancierte, wobei sie verächtliche Blicke auf die Zuschauer schleuderte.
Paula beobachtete Tim Möller, wie er der weinenden Schauspielerin den Arm um die Schultern legte und beruhigend auf sie einredete. Ihr fiel ein, was die Aufnahmeleiterin gestern noch über die Aufgaben eines Regisseurs berichtet hatte: Er trage die Verantwortung für die Umsetzung des Drehbuchs, arbeite mit den Darstellern an den Dialogen, setze sie in Szene und verwandle das Papier des Drehbuchs in Filmmaterial. Er sei Vater und Mutter zugleich, Freund und Psychologe für die Schauspieler. Gute Nerven musste so einer jedenfalls haben, so viel stand fest.
Als Möller in ihre Richtung blickte, tat er zunächst so, als würde er sie nicht erkennen. Doch Paula winkte ihn zu sich. Er hob bedauernd die Schultern, als könnte er nichts für sie tun, und wies auf die Schauspielerin. Paula setzte sich ins Restaurant auf einen der Klappstühle an der Wand und wartete.
Felix Kleist begrüßte sie mit den Worten: »Ich hab schon auf Sie gewartet, Frau Zeisberg!«, und überreichte ihr augenzwinkernd den Bericht, den er ihr zugesagt hatte.
Paula nahm dankend die beiden zusammengefalteten Blätter entgegen und sah sich nach weiteren Teamleuten um, die sie auf ihrer Liste hatte. Sie wollte warten, bis Möller die nächste Szene mit Nadine Woerner im Kasten hatte.
Tommi ging zu den beiden
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