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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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ich dort, wo in Rezepten man nehme soundsoviel Wasser steht, die gleiche Menge Rinderfond. Das hebt den Geschmack und gibt auch mehr Kraft. Aber es braucht halt etwas Zeit, man muss schon ein paar Stunden Kochzeit rechnen.«
    »Das wär mir viel zu umständlich«, bekannte Paula. »Ich koche wirklich nur mit Wasser. Und Rinderfond würde ich einfach im Glas oder als Pulver kaufen.« Trotzig setzte sie nach: »Dafür braucht bei mir kein Gericht länger als fünfzehn Minuten!«
    »In fünfzehn Minuten«, sagte Jonas, »hab ich höchstens einen Fingerhut voller Vorspeise fertig.«
    »Ja, weil du ein richtiger Kulinarr bist! Kulinarisch närrisch«, lachte Paula.
    »Und du, du praktizierst das Kampfkochen«, gab Jonas spitz zurück.
    »Das was?«
    »Kampfkochen! Du kämpfst gegen die Zeit und mit den Zutaten. Wahrscheinlich liebst du deshalb Spiegeleier und Gemüsedips so sehr.«
    »Fünf verschiedene Messer!«, lenkte Paula ab und beäugte das auf dem Küchentisch ausgebreitete scharfe Sortiment. »Ich habe in der Biografie eines Sternekochs gelesen, dass ein Meisterkoch mit einem einzigen Messer auskommt.«
    »Blödsinn. Ich kenn den auch, das ist ein Aufschneider. Klar, das große Chefmesser braucht man am häufigsten. Aber mit einem Fleischmesser kannst du kein Gemüse schneiden, mit einem Buntmesser nicht Kartoffeln schälen und zum Ausbeinen musst du noch extra eins haben.«
    »Und für den Eifersuchtsmord wahrscheinlich auch.«
    »Okay, das fällt jetzt in deine Kompetenz«, sagte Jonas gutmütig. »Und wenn du willst, bekommst du ein Messer von mir geschenkt. «
    »Bloß nicht«, protestierte Paula. »Messer darf man niemals verschenken. Weißt du das denn nicht, du Ahnungsloser?«
    »Jetzt ist sie auch noch abergläubisch!«
    »Kampfköchinnen sind nun einmal so«, sagte Paula. »Daher ist es auch besser, wenn du kochst.« Sie dachte an die Abendessen der vergangenen Monate – zu zweit oder mit Gästen – zurück. Das köstlich-deftige französische Cassoulet mit Bohnen und Entenkeulen, für das Jonas den ganzen Nachmittag in der Küche gestanden hatte. Das wunderbar mürbe italienische Ossobuco mit knusprigen Ofenkartoffeln und Salaten. Den in Gemüse, Wermut und Wein gekochten, pikanten spanischen Pulpo a la gallega und ein saftiges Wiener Schnitzel vom Almkalb, wie sie es noch nie zuvor gegessen hatte. »Meinetwegen sollst du dieses schöne Spielzeug haben«, sagte sie. «Aber ich will keine Vorwürfe hören, wenn ich das alles nicht benutze.«
    »Ich werde sogar froh sein, wenn du es nicht tust. Und wenn wir schon dabei sind: Bitte räum auch den Geschirrspüler nicht ein. Denn das fällt wiederum unter den Begriff ›Kampfräumen‹. Wenn ich das selbst mache, bringe ich doppelt so viele Gläser, Teller und Bestecke unter wie du. Stell einfach alles benutzte Geschirr in die Spüle, den Rest mache ich.« Jonas legte die Arme um Paula und küsste ihren Nacken.
    Sie schmiegte sich wohlig an seine Brust. »Bis jetzt dachte ich immer, ich hätte mit dir einen Arzt an meiner Seite. Und dann auch noch einen Koch. Aber jetzt freue ich mich, dass ich mir sogar einen Diener geangelt habe.«
    »Du hast den Lustknaben vergessen!«, flüsterte Jonas ihr ins Ohr.
    »Hab ich nicht«, verteidigte sich Paula lächelnd. »Aber den hebe ich mir für den Nachtisch auf.«
     

25
    P aulas Wagen war schmutzig und voller Schlieren von dreckigem Spritzwasser. Langsam fuhr sie über das Charité-Gelände zum Institut der Rechtsmedizin. Ein junger Bursche, den Paula noch nicht kannte, saß an der Pforte. Er hob nicht einmal seinen Kopf mit den lila gefärbten Rasta-Locken, um zu sehen, für wen er die Schranke öffnete. Paula hatte sich zur Autopsie von Felix Kleist anmelden lassen. Die Staatsanwältin Chris Gregor würde ebenfalls teilnehmen. Es würde vorerst ihre letzte Obduktion sein. Demnächst sollte sie als »Buchstabenstaatsanwältin« die Fälle im Büro bearbeiten, denn Chris war im vierten Monat schwanger. In der Abteilung für Mordfälle arbeiteten ohnehin meist nur Männer, die relativ unabhängig von einem Familienleben waren.
    Man sah der Staatsanwältin weder ihr Alter noch ihre Schwangerschaft an. Sie war Ende dreißig und trug ihr Haar kurz, blond gefärbt und streng zurückgekämmt. Ihre dunklen Augen funkelten lebendig. Sie war schlank und geschmeidig, verbrachte offensichtlich noch immer viel Zeit im Fitnessstudio. Man hätte ein Mikroskop gebraucht, um ein Gramm Fett an ihrem Körper zu finden. Natürlich

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