Unschuldig
kein Alibi für den Abend, an dem Felix Kleist getötet wurde, allerdings schließen die Kellner ihn als Begleiter von Kleist in der Paris Bar ebenso wie Ben Bauer aus. Regisseur Möller hatte Geschlechtsverkehr mit Lea Buckow, wenige Stunden bevor sie ermordet wurde. Aber in der Nacht, als Felix Kleist ermordet wurde, saß Möller in U-Haft, er scheidet also auch als Täter aus.«
Sie blickte sich in der Besprechungsrunde um und sah Professor Bleibtreu an. Tommi nickte, Marius balancierte einen Kaffeelöffel auf dem Finger, Herbert starrte leeren Blickes auf den Tisch, Max spielte mit Gummibärchen, von denen er sich hin und wieder eins in den Mund schob.
»Heute Morgen das dritte Opfer: Tierpflegerin Claudia Borowski wird im Fischteich des Raubtierhauses tot aufgefunden. Sie kommt nicht aus dem Filmbusiness. Sie muss ihren Mörder nachts mit in den Zoo genommen und dabei ihren eigenen Schlüssel benutzt haben. Wiederum haben wir bislang keine brauchbaren Spuren. Dr. Weber wird auch auf GHB testen.«
Paula schaute auf die Uhr. Es war zwanzig nach vier. Um fünf sollte die Pressekonferenz stattfinden. »Es muss eine Verbindung geben. Irgendwo müssen sich die Wege von Lea Buckow, Felix Kleist und Claudia Borowski gekreuzt haben. Und auf dieser Kreuzung ist auch der Mörder zu finden. Nach dieser Verbindung zwischen den drei Opfern müssen wir suchen.«
»Ich glaube, wir haben es mit einem Täter zu tun, der um jeden Preis Bestätigung haben will«, sagte Bleibtreu.
Genau das habe ich schon hundertmal gehört, dachte Paula, aber es kann ja trotz allem richtig sein. »Führen Sie das bitte näher aus«, forderte sie den Psychiater auf.
»Das sagt an sich noch nicht viel aus, weil es im Großen und Ganzen für alle Arten von Gewalttätern gilt. Bei den meisten liegt ein extremes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit vor. Sie fühlen sich nicht gesehen. Das hat oft seine Grundlage tief in der Kindheit und wird verstärkt durch verschiedene Erfahrungen von Zukurzkommen und Misserfolg im Laufe des Lebens. Das ist das kriminelle Grundmuster an und für sich. Möglicherweise hat er eine Liste mit Personen, hinter denen er her ist. Drei oder vier oder mehr Menschen, die ihn auf irgendeine Weise geärgert haben. Gibt es irgendeinen persönlichen Zusammenhang zwischen Lea Buckow und Felix Kleist?«
»Sie kannten sich seit Jahren, und beide waren im Filmgeschäft tätig«, sagte Paula. »Claudia Borowski nicht, soweit wir wissen.« Sie blickte in die Runde. Die Kollegen nickten zustimmend. »Kleist und Buckow kannten sich seit etwa zehn Jahren. An den genaueren Fakten sitzen wir noch. Viele kennen die Produzentin und den Schauspieler, die Stadt ist ja groß, hier arbeiten mehrere Tausend Menschen im Filmbusiness.«
»Die Sache ist die, dass wir es mit einer ganz ungewöhnlichen Situation zu tun haben, einem ganz ungewöhnlichen Täter wahrscheinlich«, sagte Bleibtreu.
Paula war genervt von seinen Plattitüden. Sie bereute es bereits, ihn hinzugezogen zu haben.
»Wenn wir das Worst-Case-Szenario skizzieren wollen, haben wir es mit einem äußerst intelligenten Mörder zu tun. Einem, der eher in die Literatur als in die Wirklichkeit gehört. Oder in die Welt des Films. Einem Täter, der vielleicht die Handlung eines Films kopiert. Der die Drehbuchvorlage Punkt für Punkt ausführt. «
»Ist es nicht auch denkbar, dass er zufällig …«, sagte Max lasch, aber Bleibtreu hob abwehrend die Hand: »Ich denke, es lohnt sich, einen Filmspezialisten zurate zu ziehen. Für den Fall, dass er ein abstraktes Motiv hatte. Ist es hingegen ein persönliches, dann geht es ihm darum, die Menschen loszuwerden, die ihm aus irgendeinem Grund übel mitgespielt haben. Er ist vermutlich ein ziemlich verschlossener und defensiver Mensch, wahrscheinlich sozial gestört, aber überdurchschnittlich intelligent.«
»Ein Psychopath also?«, fragte Paula.
»Da bin ich mir nicht sicher. Psychopath ist eine ziemlich nutzlose Bezeichnung«, sagte Bleibtreu. »Leicht anzuwenden, aber selten richtig zutreffend. Verminderte empathische Fähigkeiten – damit müssen wir wohl rechnen. Aber das trifft auf die meisten Gewalttäter zu. Er hat mit Sicherheit nicht einmal Angst, gefasst zu werden, sondern betrachtet das Ganze mehr wie ein Spiel oder eine Wette zwischen ihm und der Polizei. Die auffällige Zurschaustellung der Leichen verleiht ihm eine Art Kick, putscht ihn auf. Dadurch verschafft er sich Selbstbestätigung. Aber ich glaube nicht, dass wir es mit
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