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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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lassen?«
    »Ja. Nein. Aber ich bin sofort hinterher.«
    »Wir finden ihn bestimmt gleich«, sagte Enrico zuversichtlich.
    »Jonas ist auch schon unterwegs«, ergänzte Paula. »Das Ganze muss ein Missverständnis sein.«
    Sandra raufte sich das Haar. »Was soll das heißen? Ein Missverständnis? «
    Paula zwang sich dazu, es endlich auszusprechen: »Nein. Manuel ist verschwunden.« Ihre Worte hingen in der Luft wie Blei. »Ich habe überall nach ihm gesucht. Er ist verschwunden«, wiederholte sie laut.
    Sandra atmete stoßweise.
    Paula glaubte zu sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete, wie sie diese ungeheuerliche Information zu bewältigen versuchte.
    Ihre Schwester ging ein paar Meter und blieb mit dem Rücken an eine Hauswand gelehnt stehen. Mit offenem Mund wandte sie sich wieder Paula zu, sagte aber nichts. Sie starrte abwechselnd auf Sandra und Enrico und den vorbeifahrenden Verkehr. Dann rannte sie ohne Vorwarnung bei roter Ampel auf die Straße.
    »Sandra!«, schrie Paula und lief hinterher.
    Autos hupten, Passanten blieben stehen. Auf der anderen Straßenseite holte sie Sandra ein und hielt sie fest. »Bleib stehen!«
    »Wo ist Manuel?«, kreischte Sandra.
    »Lass uns in Ruhe darüber reden. Du bist jetzt viel zu aufgeregt. «
    »Ich bin zu aufgeregt?« Sie ballte die Fäuste. »Du lässt verdammt noch mal meinen Sohn aus den Augen, und ich bin zu aufgeregt? Du lässt ihn einfach allein auf die Straße gehen? Du hast nicht auf ihn aufgepasst!«
    Paula antwortete nicht, sondern blickte zu Boden. »Du kannst mir ja nicht einmal in die Augen schauen«, schrie Sandra aufgebracht.
    Enrico schaute erschrocken zu den beiden Frauen. Ein älterer Spaziergänger blieb unschlüssig stehen.
    »Sandra, bitte«, sagte Paula und legte ihrer Schwester beruhigend die Hand auf den Arm.
    »Lass mich los!« Sandra schlug mit Fäusten auf sie ein.
    Paula packte ihre Handgelenke und hielt sie fest, bis Sandra hemmungslos weinend zusammenbrach und sich auf dem Bürgersteig vor der Mommsen-Apotheke zusammenkauerte. Paula hockte sich neben sie und hielt sie in den Armen, während sie sich unablässig fragte: Was kann nur passiert sein? Was?
     

37
    P aula rief Herbert im Präsidium an und bat ihn, sie während der nächsten Stunden zu vertreten. Sie hatte im Moment keinen Kopf, sich um die Mordfälle zu kümmern. Vier Polizeibeamte und zwei Einsatzwagen suchten Charlottenburg nach Manuel ab.
    »Tommi hat sich inzwischen bei den Kollegen aus der Vermissten-Abteilung schlaugemacht«, sagte Herbert. »Er dachte, das kann nicht schaden. Wollt ihr das mal durchgehen?« Er reichte das Telefon an Tommi weiter, und der legte sofort los: »Wir starten. Das heißt, wir müssen erst mal alle, die infrage kommen, anrufen, ob der Junge da ist oder ob sie schon etwas von ihm gehört haben.«
    »Manuel ist doch hier zu Besuch, da kommt nur sein Freund Luca infrage. Und bei dem war ich schon. Im Haus hab ich auch schon alles abgeklärt, da weiß niemand etwas.«
    »Okay, die Kollegen aus der Vermissten-Abteilung sagen weiter, in mehr als neunzig Prozent aller Fälle löst sich so ein Fall harmlos auf. Das weißt du doch auch. Es gibt jetzt also noch keinen Grund zur Panik. Das solltest du deiner Schwester irgendwie vermitteln.«
    »Die ist völlig außer sich. Ich warte noch, bis Jonas nach Hause kommt und ihr etwas zur Beruhigung gibt.«
    »Nächster Punkt: Es sollte immer einer zu Hause sein.«
    »Meine Schwester wird wohl kaum die Wohnung verlassen. Das ist okay.«
    »Dann die Gründe für Manuels Verschwinden: Hat er einen Grund, sich zu verstecken?«
    »Nein, nein, das scheidet auch aus.«
    »Gab es vielleicht Streit, sodass er deshalb abgehauen ist?«
    »Nein, er war bester Laune. Er wollte mit seinem Freund Luca und dessen Vater einen Ausflug in den Tierpark unternehmen.«
    »Was ist mit seinem leiblichen Vater?«
    »Der wohnt in Düsseldorf.«
    »Leben die Eltern zusammen?«
    »Nein, sie sind getrennt.«
    »Könnte er etwas mit dem Verschwinden seines Sohnes zu tun haben? Gibt es Streit ums Sorgerecht?«
    »Nein, aber ich werde noch einmal mit Sandra über den Vater ihres Sohnes sprechen.«
    »Okay, dann empfehlen die Kollegen, eine kleine Mappe zusammenzustellen: aktuelles Foto, Beschreibung seines Aussehens, besondere Merkmale.«
    Nichts, was Paula nicht gewusst hätte. Trotzdem bedankte sie sich bei Tommi und beendete das Telefonat.
    Dann rief sie wieder die örtliche Kripo an, verlangte den Sofortdienst und forderte eine geschlossene

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