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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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Paradies errichten zu lassen.
    Nur wenn das Wissen dieser ersten Generation bewahrt wird, können die nachfolgenden Überlebenden und Schäfer-Geschädigten ihre Geschichte aufarbeiten und eines Tages vielleicht überwinden.
    1947: Es ist eine andere Zeit. Deutschland gibt es nicht mehr, das Land ist in vier Besatzungszonen aufgeteilt; die DDR und die Bundesrepublik Deutschland existieren noch nicht. Eine Kältewelleim Januar 1947 lässt Europa erstarren. Bis zu tausend Menschen pro Tag werden mit Erfrierungen in Berliner Krankenhäuser eingeliefert. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Pfund Brot 35 Mark. Im Juni 1948 schafft die Währungsreform dann die Reichsmark ab und bringt mit der DM wieder normale Preise und Waren in die drei Westzonen: Nun sind die Läden dort plötzlich voll wunderbarer Köstlichkeiten – Wurst und Käse, Butter und Kuchen. In der Folge führt die SBZ (sowjetisch-besetzte Zone) mit Ost-Berlin die DM (Ost) ein. Diese beiden unterschiedlichen Währungen machen die Ost-West-Teilung des Landes sichtbar; noch deutlicher wird sie, als die Sowjetunion eine Blockade über die Westsektoren Berlins verhängt: Eisenbahnverbindungen nach Westdeutschland werden unterbrochen, Energielieferungen eingestellt und Lebensmittellieferungen aus der Ostzone nach Westberlin verboten. Darauf versorgen amerikanische und britische Militärflugzeuge die Stadt über die »Luftbrücke«: Bis zu 1 300-mal am Tag fliegen »Rosinenbomber« zwischen den Westsektoren und Berlin hin und her und transportieren alles Nötige in die eingeschlossene Stadt. Trotz dieser beeindruckenden Soforthilfe flößen die Nähe der russischen Truppen und der wachsende Einfluss der UdSSR besonders den Flüchtlingen aus Osteuropa viel Angst ein. Das Leben ist unsicher und bedroht. Ganz besonders für Menschen, die ihre Heimat verloren haben.
    So wie Ida Ritz und ihre Familie.
    Gartow an der Zonengrenze. Zwei Gestrandete in den ersten Jahren der Nachkriegszeit: die fünfzehnjährige Russlanddeutsche Ida Ritz und der 27-jährige Paul Schäfer aus Troisdorf bei Köln, der als Kreisjugendpfleger der evangelischen Kirche im Kirchspiel Lüchow-Dannenberg in Gartow und Umgebung arbeitet. Eben dort, wo Idas große Familie nach der Umsiedelung aus Wolhynien in der Ukraine im Jahre 1940 und der zwei Monate dauernden Flucht aus Polen 1945 schließlich gelandet ist.
    »Hunger, Kälte, Angst« – mit diesen wenigen Worten fasst Ida die Fluchterfahrungen ihrer Familie zusammen. Durch Sprachelässt sich dieses Grauen den später Geborenen kaum vermitteln. Aber Ida ist davon geprägt, es sitzt immer noch ganz tief. Eine bettelarme Flüchtlingsfamilie mit vielen Belastungen, viel Kummer und Leid, das ist die Familie Ritz: Von zwölf Kindern überleben neun den Krieg, manche nur mit knapper Not. Ein Bruder wird noch am 5. Mai 1945 wegen Meuterei standrechtlich erschossen. Ein anderer geht auf der Flucht verloren und wird erst nach drei Jahren wiedergefunden.
    Doch auch nach Kriegsende gibt es noch lange keine Ruhe und Sicherheit, denn die Familie lebt getrennt: Während der Vater im Ruhrgebiet endlich Arbeit findet, muss die Mutter mit den Kindern in Gartow bleiben – anfangs in einer Kammer auf verschiedenen Höfen, dann in einer kleinen Deputatswohnung auf dem Gut des Grafen Bernsdorf.
    Dort schlafen sie auf Stroh, die Kinder helfen beim Rübenhacken, bei der Kartoffelernte, so gut sie können. Und beim Blaubeerpflücken. An einem Tag pflückt Ida 54 Pfund Blaubeeren, eine Leistung, die sie ihr Leben lang nicht vergisst. So kommt in der Blaubeerzeit hin und wieder ein Stück Fleisch auf den Tisch. Eine Kostbarkeit, die sich nur wenige leisten können.
    In der Gartower St.-Georgs-Kirche wird Ida 1948 konfirmiert, 1949 wird Paul Schäfer hier CVJM -Jugendwart. »Die mir für alle Zeiten vertraute Kirche«, schreibt Ida auf die Rückseite einer Bildkarte der Kirche. Endlich ein Zuhause, keine unmittelbare Bedrohung mehr.
Hunger auf Leben
    Ida hat Hunger auf Leben, und in Gartow bietet Paul Schäfer den einzigen Lichtblick. Gartow ist voller Flüchtlinge, überall laufen Kinder herum. Aber niemand hat Zeit, sich um die Kinder zu kümmern. Nur Paul Schäfer. Wo Paul ist, da ist etwas los. Immer schwärmt eine große Gruppe Kinder und Jugendliche um ihn herum, der Jugendkreis. Dieser Jungenverein ist immer vollerSchwung, richtig euphorisch. Natürlich gefällt das den Mädchen, sie wollen dabei sein. Zu dritt machen sie einen Vorstoß: Ida, ihre Schwester Gertrud*

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