Unser Sommer in Georgia
Es war ein Stundenplan. In die Zeitblöcke waren jeweils die Initialen RS, MS oder AS eingetragen. »Na, das ist ja ein beeindruckender Plan.«
»Riley hat ihn angefertigt. Ich überarbeite ihn bloß gerade.«
Maisy schaute sich im Raum um. »Wo ist denn deine Pflegerin? Du hast dein Frühstück ja kaum angerührt.«
»Ich habe ihr gesagt, sie soll mich in Ruhe lassen, meine jüngste Tochter würde gleich kommen und mit mir frühstücken.«
Maisy konnte dem durchdringenden Blick aus den blauen Augen nicht standhalten. Mama würde sofort wissen, dass sie log, wenn sie behauptete, mit Adalee sei alles in Ordnung - Mama wusste immer gleich, wenn ihre Töchter nicht die Wahrheit sagten. »Tut mir leid, dass ich das Frühstück verpasst habe. Ich muss jetzt los und Riley helfen.« Maisy zuckte die Achseln. »Aber wir sehen uns heute Nachmittag, okay?«
Maisy gab ihrer Mutter einen Abschiedskuss und schaffte es irgendwie, das Haus zu verlassen, ohne dass sie erklären musste, warum ihre jüngere Schwester noch im Bett lag. Sie parkte hinten auf dem Parkplatz am Buchladen und betrat das Haus durch die Hintertür. Das Morgenlicht fiel durch die Fenster auf den zerkratzten Dielenboden. Maisy liebte das Driftwood Cottage.
Vom anderen Ende des Ladens tönte ihr Rileys Stimme entgegen. Der Duft nach Kaffee und Zimt und Gelächter drangen zu ihr herüber.
Maisy sah zum Lagerraum, dessen Doppeltür geschlossen war. Früher war dort die Bibliothek der Logans gewesen. Ein leuchtend rotes Band war um die beiden gläsernen Türknäufe geschlungen, und daran hing ein Schild mit der Aufschrift »Zutritt verboten«. Hätte das Schild sie abgehalten, wenn es schon an dem Abend dort gehangen hätte, als sie mit Tucker Morgan hergekommen war? Hätte überhaupt irgendetwas sie damals bremsen können, als sie offenbar nur ihre Selbstzerstörung im Sinn hatte?
Sie strich mit der Hand über die Türknäufe.
Als hinter ihr vertraute Stimmen erklangen, bekam sie plötzlich eine Gänsehaut. Sie fuhr herum. Vor ihr standen Mack Logan und Riley. Maisy erstarrte; ihr Herz hatte einen Aussetzer, bevor es stolpernd weiterschlug. Die beiden lachten. Mack hatte Riley den Arm um die Schultern gelegt. Ein Mann stand mit einer Kamera vor den beiden.
Der alte Zorn, den Maisy vor sich selbst geleugnet hatte, meldete sich erneut. Langsam schritt sie auf Mack und Riley zu.
Mack bemerkte sie zuerst und lächelte. Sein Herzensbrecher-Lächeln. Maisy erinnerte sich noch ganz genau daran. Das Haar fiel ihm in die Stirn. Darunter verbarg sich, wie sie wusste, eine schmale Narbe von einem Bootsunfall.
»Maisy.«
Sie ging zu ihm und warf ihm die Arme um den Hals mit einem Überschwang, den sie sofort bedauerte, aber nicht zügeln konnte. »Mack«, sagte sie und trat zurück, um ihn anzuschauen.
Da erkannte Maisy Lodge und nahm auch ihn in die Arme. Sie standen im Halbkreis. »Wir sehen aus, als wollten wir gleich einen primitiven Tanz für die Driftwood-Götter aufführen«, bemerkte sie.
Lodge hob die Kamera. »Lasst mich rasch einen Schnappschuss machen, bevor ich mich verabschiede, um den nächsten Artikel zu schreiben. Ich glaube, ich habe alles, was ich dazu brauche, oder?« Er warf Riley einen Blick zu.
»In dem Rundbrief, den ich dir gegeben habe, stehen die Details«, sagte sie.
Maisy beobachtete die nervösen Bewegungen ihrer Schwester, die sie so gut kannte wie ihre eigenen: wie sie das Haar zurückwarf, sich die Augen rieb und mit den Füßen scharrte.
Riley rief Brayden zu sich, und sie reihten sich alle nebeneinander auf. Brayden, Maisy, Mack und Riley lächelten in die Kamera.
Nachdem Logan einige Fotos geschossen hatte, schüttelte er den Kopf. »Wie in einer Zeitschleife«, sagte
er.
Maisy lachte. »Ja, das wäre schön.«
Brayden setzte sich wieder an den Tisch in der Zeitschriftenecke, beobachtete die Erwachsenen aber genau. Riley ging zu ihm, und Maisy fragte sich zum hundertsten Mal, von wem dieses Kind seine Ruhe hatte. Wusste Braydens Vater überhaupt, dass Brayden existierte? Sie schaute Mack an. Dass Mack der Vater war, konnte sie sich nicht vorstellen - seit dem Tag, als Riley vom College nach Hause zurückgekehrt war, hatte sie das immer wieder vehement bestritten.
»Maisy«, sagte Riley nun, »bringst du dem Lesezirkel bitte das Tablett mit dem Kaffee und den Muffins?«
»Ja, Madam.« Maisy fiel die Schärfe in ihren Worten selbst auf.
Riley stieß die Luft aus, dieses verdammte tadelnde Ausatmen. »Vergiss es! Ich
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