Unser Sommer in Georgia
ich sage dir nicht, seit wann.«
Adalee zog eine Schnute. »Du glaubst immer noch, ich wäre ein kleines Mädchen und du könntest mir nichts erzählen.«
»Stimmt gar nicht.« Maisy nahm ihre Schwester in die Arme. »Ich finde, du bist brillant und begabt und witzig und einfach toll. Ich will bloß nicht, dass du erfährst, wie schlimm ich wirklich bin. Was glaubst du, warum ich so weit weg lebe?«
»Damit du uns nicht sehen musst«, erklärte Adalee und wandte sich ab, denn die Stimme versagte ihr. »Wir sind ja nicht blöd.«
»Ach, Adalee, das ist doch gar nicht wahr.« Maisy drehte ihre Schwester zu sich um. »Das stimmt überhaupt nicht. Mit euch hat das nichts zu tun. Ich musste einfach weg, und im Handumdrehen waren zwölf Jahre vergangen.«
»Für mich sind sie gar nicht im Handumdrehen vergangen. Mir kommt es vor, als wärst du tausend Jahre weg gewesen.«
Maisy nahm sie noch einmal in die Arme. »Das tut mir leid. Komm, wir gehen in den Laden und bewundern unsere Arbeit, und dann hauen wir uns hin.«
Adalee lächelte wieder. »Du hast die ganze Backe voller Farbe. Bis in die Haare.«
»Und du hast dich gar nicht vollgeschmiert?« Maisy legte den Arm um ihre jüngere Schwester, und sie verließen den Lagerraum, die Zentrale für ihr großes Projekt.
Mit geschlossenen Augen ließ Adalee sich in einen der alten Plüschsessel fallen, der jetzt einen Bezug von Beach Chic hatte, mit einem Muster aus Rosenranken. Maisy lehnte sich gegen die Ladentheke. Bisher war die Oberfläche aus Resopal gewesen, jetzt wurde sie von zwei alten Türen gebildet, die mit intakten Kristallknäufen flach darauf lagen. Das war Maisys Idee gewesen, und das Ergebnis konnte sich sehen lassen.
Ihre Lider fühlten sich an, als würden sie bei jedem Zwinkern über Sand reiben. Gähnend schaute sie auf die Uhr, die über der Kinderecke hing. Fünf nach drei. Riley musste gleich kommen.
Ethel stand vorn im Laden und bereitete die Namensschildchen für den Abend vor. Da öffnete sich die Tür, und Riley trat ein. Das Sonnenlicht folgte ihr, und einen Moment lang vergaß Maisy die völlig neue Inneneinrichtung des Buchladens und staunte nur über die neue Riley Sheffield. Das Haar fiel ihr in Wellen bis knapp über die Schulter, ein blassblaues Kleid im Empirestil umwehte ihre Beine, und ihr Lächeln brachte ihr schönes Gesicht zum Strahlen.
Das war die Schwester, die Maisy damals verlassen hatte. Die Schwester mit dem herzlichen Lachen und dem Gesicht eines Engels, der sich seiner Schönheit nicht bewusst ist. Verschwunden war die Frau, die ihr Haar unter eine Baseballkappe stopfte und die Augen besorgt zusammenkniff. Maisy winkte Riley zu.
Riley machte drei Schritte in den Laden hinein, bevor sie stehen blieb, eine Hand vor den Mund legte und hörbar nach Luft schnappte. »Oh!« Sie ging weiter. Bei jedem Schritt wanderte ihr Blick in einen anderen Teil des Ladenraumes. Maisy konnte die Reaktion ihrer Schwester nicht deuten.
Riley war bei Maisy angelangt, drehte sich jedoch zur Kasse, wo nun die alten Türen als Oberfläche der Ladentheke dienten. Sie strich mit der Hand über einen Kristallknauf, über das seidenglatte alte Holz. Als sie sich schließlich Maisy zuwandte, lächelte sie und schlang ihr die Arme um den Hals. »Was habt ihr denn da gemacht? Wie habt ihr das so schnell hingekriegt? Wo hattet ihr das Geld her?«
Maisy deutete auf die schlafende Adalee. »Es war ihre Idee. Sie hat ohne Pause daran gearbeitet. Vielleicht hätte Mama ihr schon vor Jahren Hausarrest verpassen sollen - dann hätten wir vielleicht gemerkt, dass sie auch noch was anderes kann als Partys feiern. Sie hat die Planung gemacht, die ganzen Sachen auf dem Flohmarkt ausgesucht, und ich hab ein paar Sesselbezüge aus meinem Laden bestellt - ich kriege ganz viel Prozente, betrachte sie also als Geschenk von mir.«
Riley wanderte durch den Buchladen, strich über die Sesselbezüge, die angestrichenen Korbstühle und die Tischchen. Der Kristallkronleuchter war gesäubert und wieder über der Buchclub-Ecke aufgehängt worden. Alte Deckenfliesen aus Metall rahmten jetzt alte Buchdeckel ein. In blauen Rahmen, die hinter der Kasse zwischen den Clubbüchern standen, waren Fotos aus der Kindheit der Schwestern zu sehen. Die Sperrholzbretter waren durch Regalbretter aus dickem Kiefernholz ersetzt worden, das nach dem Einwachsen schimmerte. Cremefarbene, in schöne Falten gelegte Leinenvorhänge fungierten an einigen Stellen im Laden als
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