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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Platz.
    Da kam Claudia ein seltsamer Gedanke. Sie begriff mit einem Male:
    So viel Liebe kann eine Frau geben. Sollte sie, Claudia, sich dann vernachlässigt und enttäuscht fühlen, weil ihre eigene Mutter auch so reich an Liebe war? Warum sollte Mutti nicht auch Onkel Peter liebhaben dürfen wie Tante Helga den Onkel Bo?
    „So, Kinder“, sagte Tante Helga, schob Nystan behutsam von ihrem Schoß auf einen Stuhl hinüber und stand auf. „Jetzt müssen wir anfangen, uns nützlich zu machen. Ich muß in die Küche. Oma sagt, sie will heute vormittag stricken – ich schlage vor, Bo, daß du mit den Mädels einen Spaziergang machst, ihr könnt doch Claudia ein bißchen Stockholm zeigen.“
    „Ich gehe zum Skilaufen“, sagte Karin. „Ulla kommt gleich und holt mich ab.“
    „Heute?“ fragte Tante Helga erstaunt. „Aber Karin, heute müßtest du doch…“
    Claudia versicherte indessen schleunigst, daß es ihr furchtbar peinlich wäre, wenn Karin bei diesem wunderbaren Wetter ihr Skilaufen aufgeben würde – und für sie gebe es doch genug, was sie sich vornehmen könne –, sie wolle an Mutti schreiben, und sie wolle auspacken, und außerdem – und während sie noch sprach, klingelte es an der Wohnungstür.
    Ulla kam.
    Sie war ein kräftiges, braungebranntes Mädchen im selben Alter wie Karin und Claudia. Karin zog sie mit sich in ihr Zimmer, und gleich darauf polterten die beiden in ihren Skistiefeln die Treppe hinunter.
    „Ja, das Mädel“, sagte Tante Helga. Es schien, als schäme sie sich ein wenig, weil Karin die Kusine gleich am ersten Tag im Stich ließ.
    Claudia lächelte. „Aber Tante Helga, ich bleibe doch jetzt eine ganze Zeit bei euch – und da muß Karin doch natürlich tun, was sie gewohnt ist –, ich meine, sie darf doch meinetwegen nicht gezwungen sein, etwas daran zu ändern. Wenn ich nur einige Tage hierbliebe, dann wäre es etwas anderes, aber so ist es doch klar, daß ich mich nach euch richten muß, und nicht umgekehrt!“
    „Ich habe es ja gesagt“, meinte Onkel Bo. „Du hast wirklich Verstand in deinem kleinen Hirn.“
    „Kann ich es schriftlich haben?“ fragte Claudia. „Ich möchte es dann meiner Handarbeitslehrerin schicken. Sie behauptet nämlich genau das Gegenteil, wenn ich am Strumpf verkehrt abnehme oder beim Schneidern die Falten verkehrt herum kniffe.“
    „Es ist nur gut, daß du auch deine schwachen Seiten hast“, sagte Onkel Bo. „Möchtest du mit mir Spazierengehen, Claudia?“
    „Furchtbar gern, Onkel Bo – ich will nur eben…“
    Claudia ging daran, das benutzte Geschirr vom Tisch abzuräumen. Sie tat es so selbstverständlich, wie sie es zu Hause viele Jahre lang nach jeder Mahlzeit getan hatte.
    „Nein, Kindchen“, sagte Tante Helga, „damit ist es nun für eine Weile vorbei. Hier ist das meine Sache. Und nun seht zu, daß ihr wegkommt, ihr beiden. Oma und ich haben eine Menge miteinander zu reden, und ich will Oma packen helfen. Wenn du gescheit bist, Bo, dann lädst du Claudia irgendwo zum Lunch ein, ich bin euch dann los! Karin kommt erst zum Mittagessen nach Haus – und Oma und ich haben den ganzen Tag Ruhe!“
    „Wie gnädige Frau befehlen“, lächelte Onkel Bo. „Dann komm, Claudia, du siehst, man jagt uns erbarmungslos in die große, kalte Welt hinaus. Aber wir werden uns schon die Zeit zu vertreiben wissen, wir denken uns alles mögliche aus, was wir machen können, und dann könnt ihr drei zu Hause sitzen und uns gestohlen bleiben!“ Wieder machte Claudia große Augen.

Der erste Brief nach Hause
     
     
    Stockholm, 20. Januar Mein allerliebstes Muttilein!
    Heute will ich versuchen, dir einen richtigen Brief zu schreiben. Sonntag war es nur ein kleiner Gruß, ich schrieb ihn aus dem Restaurant „Die Gondel“.
    Du weißt also, daß ich den ganzen Vormittag mit Onkel Bo aus war. Wir gingen zu Fuß in die Stadt, und die Kälte hat nicht schlecht in der Nase gepickt. Aber die Sonne schien. Onkel Bo fragte mich, ob ich auf was Bestimmtes Lust hätte, und da sagte ich, ich würde so gern das Stadthaus sehen, vom Zug sah es so wunderschön aus.
    Von nahem ist es aber noch schöner. Es liegt am Wasser – alles liegt hier am Wasser, überall sind Kais und Brücken und Schiffe! Wir kamen zuerst in eine riesige Halle, die war backsteinrot mit weißen Säulen und weißen Treppen. Und weißt Du, wie die Halle heißt? Tatsächlich, sie heißt „die blaue Halle“, obgleich nicht das kleinste blaue Fleckchen drin zu sehen ist. Onkel Bo erzählte

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