Unsichtbar
Messer auf mich losgehen.
Ich rede nicht von dem Messer. Rudolf hat Beziehungen, hundert einflussreiche Beziehungen, und bevor du dich mit ihm anlegst, solltest du wissen, mit wem du es zu tun hast. Er ist nicht irgendwer.
Beziehungen?
Zur Polizei, zum Militär, zur Regierung. Ich kann nichts beweisen, aber ich hatte immer das Gefühl, er sei etwas mehr als bloß ein Universitätsprofessor.
Zum Beispiel?
Ich weiß nicht. Nachrichtendienst, Spionage, irgendwas Schmutziges.
Wie kommst du denn auf so etwas?
Anrufe mitten in der Nacht ... sein gelegentliches rätselhaftes Verschwinden ... die Leute, die er kennt. Kabinettsminister, Armeegenerale. Wie viele junge Professoren treffen sich mit hohen Regierungsvertretern zum Essen? Rudolf ist ein Insider, und das macht die Bekanntschaft mit ihm gefährlich. Besonders hier in Paris.
Klingt für mich ziemlich dünn.
Erinnerst du dich an das Essen in unserer New Yorker Wohnung im vorigen Frühjahr?
Lebhaft. Wie könnte ich das vergessen?
Er hat telefoniert, als ich dir die Tür aufgemacht habe. Dann kam er raus - wütend, außer sich, hysterisch. Wie viele Jahre habe ich ihnen gegeben? Wie hat er das gemeint? Prinzipien! Schlachten! Das Schiff geht unter! Es gab ein Problem in Paris, und ich kann dir jetzt sagen, dass das nichts mit Universitätsangelegenheiten oder dem Nachlass seines Vaters zu tun hatte. Es stand in Zusammenhang mit der Regierung, mit seiner heimlichen Arbeit für wen auch immer. Deswegen ist er so aufgebraust, als du von der CIA angefangen hast. Weißt du nicht mehr? Er hat dir all diese Dinge über deine Familie erzählt, und du warst schockiert, du fandest es unglaublich, was er an Informationen über dich in Erfahrung gebracht hatte. Du hast gesagt, er müsse für irgendeinen Nachrichtendienst arbeiten. Du hattest recht, Adam. Du bist ihm auf die Schliche gekommen, und er hat dich ausgelacht, er hat versucht, einen Witz daraus zu machen. Und da wusste ich, dass ich recht hatte.
Mag sein. Aber es bleibt trotzdem eine Vermutung.
Warum hat er mir dann nicht gesagt, um was für ein Problem es sich handelt? Er hat sich nicht mal einen Vorwand ausgedacht. Das betrifft dich nicht, hat er gesagt, stell nicht so viele Fragen. Und dann fliegt er nach Paris, und als er zurückkommt, ist er mit Helene Juin verlobt und schmeißt mich raus.
Sie reden noch fünfzehn, zwanzig Minuten lang weiter, und je heftiger sich Margot in Mutmaßungen über Undercover-Operationen, Regierungsverschwörungen und den psychischen Druck eines Doppellebens hineinsteigert, desto weniger scheint Walker daran Anteil zu nehmen. Sein Desinteresse ist ihr ein Rätsel. Sie nennt das eigenartig, waghalsig, irrational, doch Walker erklärt, Borns Aktivitäten gingen ihn nichts an. Für ihn zähle einzig und allein der Mord an Cedric Williams, und selbst wenn Born sich als Chef des französischen Geheimdienstes herausstellen sollte, würde ihn das kaltlassen. Nur einmal scheint er mit voller Aufmerksamkeit dabei zu sein, als nämlich Margot eine beiläufige Bemerkung über Borns Vergangenheit fallenlässt - es geht um seine Kindheit in einem großen Haus im Umland von Paris, wo sie ihn zum ersten Mal gesehen habe. Und Guatemala?, fragt Walker, da er sich erinnert, dass Born ihm erzählt hatte, er sei in Guatemala aufgewachsen.
Da hat er dich auf den Arm genommen, antwortet Margot. Dort ist Rudolf niemals gewesen.
Das dachte ich mir. Aber warum Guatemala?
Warum nicht Guatemala? Es macht ihm Spaß, sich Geschichten über sich auszudenken. Die Leute zum Narren halten, kleine Lügen erzählen - das ist für Rudolf große Unterhaltung.
Obwohl sich aus diesem Gespräch nur wenig Konkretes ergibt (zu viele Vermutungen, nicht genug Tatsachen), scheint es dennoch einen Wendepunkt in seiner Beziehung zu Margot zu markieren. Sie sorgt sich um ihn, ängstigt sich um ihn, und die Unruhe und Anteilnahme, die er in ihren Augen sieht, tröstet ihn (die Vertrauensfrage ist kein Thema mehr), alarmiert ihn aber auch. Sie rückt näher an ihn heran, ihre Zuneigung bekundet sich deutlicher, aufrichtiger, und doch hat ihre Besorgnis etwas Mütterliches, als blicke sie weise auf die Irrtümer der Jugend herab, und zum ersten Mal in den Monaten ihrer Bekanntschaft spürt er den Altersunterschied zwischen sich und ihr, die Kluft der zehn Jahre, die zwischen ihnen liegen. Er kann nur hoffen, dass das kein Problem wird. Er braucht Margot jetzt. Sie ist seine einzige Verbündete in Paris, und ihre
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