Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
läuft mein Leben in letzter Zeit ohnehin nie so recht nach meinen Plänen.«
»Nun, ich würde Ihnen ja mein Beileid aussprechen, aber ich bin eigentlich ganz froh, dass Sie noch hier sind.«
Adam griff nach der Kaffeekanne und schenkte sich eine Tasse ein. Nicht, dass er Lust auf das schwarze Gebräu hatte, er tat es eher, um Lea Gesellschaft zu leisten. Und während er sie betrachtete, wurde ihm klar, wie sehr es stimmte: Er war froh, dass sie da war. Sehr froh sogar. Er freute sich, mit ihr zusammen zu sein, egal, was sie machte oder wer sie gerade vorgab zu sein. Madame Foulard oder eine verführerische Tangotänzerin. Oder ob sie einfach hier mit ihm am Tisch saß und Marmeladentoast aß, während andere längst rot vor Scham die Flucht ergriffen hätten. Sie überraschte ihn ständig, seine geheimnisvolle Schöne aus Istanbul.
»Aber Sie haben recht«, sagte sie kauend. »Marco wird sich kaputtlachen, wenn ich es ihm später erzähle.«
Marco. Den Italiener hatte er ja ganz vergessen. Adams Laune sackte in den Keller. »Ach ja. Aber ich bezweifle, dass Ihr Liebhaber sich kaputtlachen wird, wenn Sie ihm erzählen, dass Sie die Nacht im Hotelzimmer eines anderen verbracht haben.«
»Mein Liebhaber?« Lea blinzelte verwirrt, dann schüttelte sie lächelnd den Kopf. »Sehen Sie? Ich hab's doch gesagt. Sie wissen gar nichts über mich.«
Dann war Marco also nicht ihr Liebhaber? Adam grinste. Muskeln, von denen er gar nicht gewusst hatte, dass sie sich verspannt hatten, lockerten sich wieder. Seine gute Laune kam aus dem Keller hervorgehüpft. »Sie täuschen sich, ich weiß mehr über Sie, als Sie glauben.«
»Ach ja? Das müssen Sie mir schon beweisen«, sagte Lea herausfordernd.
Einer Herausforderung hatte Adam noch nie widerstehen können.
Er musterte sie unverhohlen von Kopf bis Fuß, nahm jedes noch so kleine Detail in sich auf: die fast nicht mehr sichtbare Falte in ihrer linken Wange, die silbernen Ohrstecker mit dem Peace-Zeichen, die verräterischen kleinen Löcher, die sich darüber in ihren Ohrläppchen abzeichneten, der französische Haarschnitt, die kurzen, dunkelrot lackierten Fingernägel ...
»Sie sind nicht verheiratet.«
Sie hob eine Augenbraue. »Das ist nicht schwer zu erraten.«
»Sie stammen aus den New-England-Staaten der USA, wohnen aber schon seit ein paar Jahren hier. Nicht lange genug, um Ihren Akzent ganz abzulegen, aber lange genug, um sich die hiesige Ausdrucksweise anzueignen.
Sechs Jahre?«
Sie runzelte die Stirn. »Sieben. Aber meinen amerikanischen Akzent hätte jeder raushören können.«
Adam lachte. »Ich bin noch nicht fertig! Sie schlafen auf der linken Seite, Sie waren in Ihrer Jugend ein Hippie-Mädchen, Sie haben eine Zeit in Argentinien verbracht.
Und natürlich in Istanbul.«
Sie schaute ihn mit großen Augen an. Offenbar war ihr nicht klar gewesen, dass er sich noch an jene kurze Begegnung vor so vielen Jahren erinnerte.
»Sie sind nicht nur eine sehr sinnliche und gleichzeitig praktische Frau, sondern auch eine Künstlerin«, fuhr er fort. Er nahm ihre Hand und begutachtete ihre kurzen, makellos lackierten Fingernägel. »Sie arbeiten mit Ihren Händen, und Sie lieben kräftige Farben. Und Sie verkleiden sich gern als alte Hexe und halten Seancen ab.«
Lea entzog ihm ihre Finger und wich seinem Blick aus.
»Dann gehören Sie jetzt zu den drei Menschen, die am meisten über mich wissen«, sagte sie leise. Ihre Miene war alles andere als erfreut. »Ich war schon immer der Meinung, dass, wer immer da oben über mein Schicksal entscheidet, einen verdrehten Sinn für Humor haben muss.«
Jetzt tat es Adam leid, dass er so offen gesprochen hatte. »Falls es wirklich nur so wenige Menschen gibt, die das Glück haben, Sie besser zu kennen, Lea, dann liegt das nur daran, dass Sie sie nicht an sich ranlassen. Ich verstehe, dass Sie ein sehr scheuer Mensch sind und selbst entscheiden wollen, wer Sie besser kennen lernen darf.«
Lea schaute ihm ernst in die Augen. »Jetzt sind Sie wieder so nett. Warum sind Sie bloß so nett zu mir?«
»Vielleicht bin ich einfach nur ein netter Kerl.« Aber noch während er das sagte, wusste er, dass er im Moment alles andere als ›nett‹ sein wollte.
Er wusste selbst nicht, warum er sich so sehr zu dieser Frau, die ja gar nicht seiner Spezies angehörte, hingezogen fühlte - und er wollte auch nicht weiter darüber nachdenken. Der beste Weg, diese Art von Besessenheit loszuwerden, war, ihr nachzugeben. Er wusste, dass sich
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