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Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen

Titel: Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Hepsen
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er verwirrte sie vollkommen. Nur einmal mit ihm schlafen, das hatte sie gewollt. Und hatte es ihm auch unmissverständlich klargemacht. Doch nur wenige Augenblicke später wünschte sie sich, ihn besser kennen zu lernen, noch ein wenig zu bleiben.
    Zuzulassen, dass er sie besser kennen lernte.
    Alles war so schnell gegangen, er hatte sie auf den Tisch gehoben, und dann hatte sich ihr Gehirn ausgeschaltet - bis ihr Blick plötzlich auf das Frühstücksmesser fiel, das Messer, das mit der roten Marmelade beschmiert war. Sie war schlagartig zur Besinnung gekommen und hatte ihn von sich gestoßen.
    Rückblickend war sie beinahe froh darüber. Das mit Adam war einfach zu viel für sie - zu groß, zu bedrohlich.
    Bei ihm fühlte sie sich entblößt, verletzlich.
    Ja, sie war froh, aber nur beinahe. Es ärgerte sie, dass etwas, das schon so lange zurücklag, immer noch so viel Macht über sie besaß. Der Anblick dieses Messers hatte ihr eine Heidenangst eingejagt. Lochrin Place und alles, was dort passiert war, war mit einem Schlag wieder lebendig geworden. Sie hasste das, sie wollte nicht, dass die Vergangenheit sie immer wieder einzuholen drohte. Deshalb kam sie jeden Morgen in diese Frühstücksbar, um mit Mr. Thomson einen Kaffee zu trinken. Deshalb war sie in diese kleine Wohnung gezogen, nur wenige Meter von der Straße entfernt, in der ein Mann sie überfallen und halb tot zurückgelassen hatte. Verdammt noch mal, sie wollte, dass es endlich vorbei war!
    Zornig sprang sie auf. Ihre Untertasse klapperte, als sie ihren Stuhl zurückschob. Fluchtartig verließ sie die Bar durch den Seiteneingang. Lochrin Place lag verlassen da, wie meist. Das kleine französische Cafe gegenüber hatte heute früher geschlossen. In dem Perlengeschäft neben der Bar schlenderten noch ein paar Kunden umher, aber auf der Straße war niemand zu sehen.
    »Lea?«
    Lea ignorierte Liams besorgte Frage. Sie wickelte ihre Arme um ihren Oberkörper und ging die Straße entlang auf die kleine Autovermietung zu, die an deren Ende lag.
    Sechzehn, achtzehn, zwanzig ... sie blieb vor dem Türschild mit der Nummer zweiundzwanzig stehen. Vor sieben Jahren war dieses Schild, waren diese Wohnungen brandneu gewesen.
    Vor sieben Jahren, als sie hier auf offener Straße niedergestochen worden war.
    »Du wirst dir noch eine Erkältung holen, meine Liebe«, sagte Mr. Thomson besorgt. Ihm gefiel dieser Ort ebenso wenig wie ihr, das wusste sie. Der Geist war an jenem Tag auch hier gewesen, er hatte sie in ihrem Blute liegend gefunden und war ihr ins Krankenhaus gefolgt, wo man sie mit Blaulicht und Sirene hingebracht hatte.
    Seine Stimme war das Erste gewesen, was sie hörte, als sie zwei Wochen später aus dem Koma erwacht war.
    Der erste Geist, der zu ihr sprach.
    »Liam, kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte sie nach längerem Schweigen.
    »Natürlich, Lea, alles, was du willst.«
    Sie musste lächeln. »Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause und lege mich ein bisschen hin. Könntest du für mich in die Galerie gehen und nachsehen, ob dort jemand auf mich wartet?«
    Es kam nicht oft vor, dass sie einmal nicht in die Galerie ging, aber heute fühlte sie sich dem einfach nicht gewachsen. Heute wollte sie sich nur noch hinlegen und schlafen.
    Sie wollte ihre Angst von damals vergessen, das Gewicht des Mannes, das Messer, das jeden Moment auf sie niederfahren würde ... wieder und wieder.
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, legte sie schützend die Hände auf ihren Bauch.
    »Selbstverständlich, Lea, das mache ich doch gerne«, versicherte ihr Liam.
    »Ja, du solltest dich wirklich ein wenig hinlegen, meine Liebe«, sagte auch Mr. Thomson begütigend.
    Sie nickte, dann wandte sie sich ab und verließ den Ort, an dem die alte Lea gestorben war. Ihre Kopfschmerzen waren in der letzten halben Stunde immer schlimmer geworden, sie musste sich wirklich ein wenig hinlegen. Sie bog um die Ecke in die Home Street, überquerte die mit Kopfsteinen gepflasterte Straße und ging auf dem gegenüberliegenden Gehsteig weiter, vorbei an dem Sushi-Restaurant und dem Blockbusters-Videoverleih und erreichte schließlich die blaue Eingangstüre des schmalen Hauses, in dem sich ihre winzige Apartmentwohnung befand. Sie kramte in dem Abendtäschchen, das sie immer noch bei sich hatte, holte den Hausschlüssel hervor, schloss auf und begann die steile, dunkle Treppe hinaufzusteigen.
    Sechzig Stufen bis zu ihrer Wohnung im dritten Stock, sie hatte sie oft gezählt in den sechs Jahren,

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