Unsterbliche Leidenschaft
sagte Etienne, »muss ich zu meinem großen Bedauern leider aufbrechen. Der Morgen graut.« Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass der Himmel schon hell wurde. »Wenn ich eure Gastfreundschaft noch einmal beanspruchen darf, Tom, dann komme ich am Abend noch einmal wieder.«
»Ich bring dich zur Tür, Etienne«, sagte Tom, worauf sie beide den Raum verließen.
Tom ging mit Etienne hinaus und ließ sie zurück, alleine, als Hexe, unter drei Vampiren, Vampiren, mit denen sie befreundet war, ehe sie sich ›geoutet‹ hatte.
Und jetzt? Konnte man’s wissen?
Und als ob das alles für einen Abend nicht genug wäre, musste sie, trotz Toms beruhigender Worte, auch noch davon ausgehen, dass ihr eigener Vater Laran losgeschickt hatte, ihr Bewusstsein zu zerstören.
»Du siehst erschöpft aus, Frischling«, sagte Gwyltha, »und besorgt.«
»Ist das ein Wunder? Ich habe die ganze Nacht keine Auge zugetan und muss mir die Frage stellen, ob mein Vater mir das Leben verpfuscht hat.« Unter ihren Augenlidern brannten Tränen.
Gwyltha setzte sich neben sie. »Hältst du es wirklich für möglich?«
»Ich weiß es selbst nicht. Ich kenne ihn ja gar nicht, weiß erst seit gestern, dass es ihn gibt. Wir haben einmal miteinander telefoniert.« Eine ziemlich ernüchternde Erfahrung. »Anscheinend habe ich eine stärkere Erinnerung an Laran Radcliffe als an meinen Vater. Könnte damit zu tun haben, dass ich Laran nicht mag und ihm misstraue.«
»Mit deiner Erinnerung kommen auch deine Instinkte wieder.«
»Diese verdammten Erinnerungen sind so durcheinander, dass nichts einen Sinn ergibt.«
»Das kommt noch.«
»Aber wir sind doch darauf angewiesen, dass sie jetzt einen Sinn ergeben! Dieser Unhold, wer auch immer er ist, lauert uns jetzt, in dieser Minute, irgendwo da draußen auf.« Angela warf einen Blick in den immer helleren Himmel, als erwartete sie ein Gesicht am Fenster, das grimmig hereinschaut.
»Gewiss, hilfreich wäre es schon. Aber wenn selbst wir Vampire Grenzen haben, wieso sollten Ghule dann eine Ausnahme bilden? Ausgeruht kannst du uns sicher besser helfen als in diesem erschöpften Zustand. Wir brauchen dich, Angela.«
»Ich bin keine persona non grata?«
»Weit davon entfernt. Wenn es stimmt, was Etienne sagt, dann brauchen wir deine Fähigkeiten unbedingt.«
»Zurzeit ist von meinen Fähigkeiten kaum etwas vorhanden.«
»Immer noch mehr als bei jedem Einzelnen von uns. Kann nicht dieses Vollmondritual helfen, sie wiederherzustellen?«
Angela nickte. »Sollte es schon, ja. Ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber, was ich von mir aus unternehmen kann. Verflixt, ich weiß nicht einmal, was ich eurer Meinung nach unternehmen soll.«
»Wir tappen alle im Dunkeln, aber wenn wir dieses Monster durch Zauberei besiegen können, brauchen wir dich.«
Da es dieser Vampir auf sie abgesehen hatte, war sie auf ihre Fähigkeiten angewiesen. »Es besteht immer noch die Chance, dass er aufgibt und nach Hause zurückkehrt.«
»Hältst du das für möglich?«, fragte Toby.
»Ich wünschte, es wäre so! Wenn es wirklich Laran ist, dann wird er nicht eher ruhen, als bis er mich gefunden hat. Es scheint so, als könnte ich nicht einmal nach Hause gehen. Ich kann nirgendwo hin!«
»Er wird dich nicht finden«, versprach Justin. »Wenn es hart auf hart kommt, gibt es sichere Plätze, an denen wir dich verstecken können.«
»Was? Ich verstecke mich doch nicht, während dieses Ungeheuer hinter euch her ist! Er muss gestoppt werden, und ich tue alles, um euch dabei zu helfen.« Sie überlegte kurz. »Ich muss nach Oregon telefonieren. Ist Laran da, dann wissen wir, dass nicht er das Monster ist.« Wenn nicht, würde sie mit ihrem Dad ein Wörtchen reden. Auch ein Gespräch mit Adela würde sich anbieten. »Schade, dass es jetzt nicht geht. Dort ist es mitten in der Nacht.«
»Dann halte dich an meinen Rat und ruh dich aus«, sagte Gwyltha.
Eigentlich gar keine so schlechte Idee.
»Eine starke Frau«, sagte Toby, als sich die Tür hinter Angela schloss.
»Das sind die besten«, erwiderte Justin.
»Ich nehm dich beim Wort.«
Justin grinste. »Mach das. Und da wir schon über starke Frauen reden, ich will meine mal anrufen. Hören, ob es Sam gut geht.«
Toby sah ihm zu, wie er zur Terrassentür hinausging. »Die Ehe hat unseren hartgesottenen Doktor weich gespült.«
»Er hat eine tolle Frau bekommen«, sagte Gwyltha, »und seinen inneren Frieden gefunden.«
»Wer sagt hier was von tollen Frauen?«, fragte Tom, als
Weitere Kostenlose Bücher