Unsterbliche Leidenschaft
dass er überhaupt jemals ergrauen würde.
Er musste sich schlicht und einfach in Geduld üben, Angela in Ruhe ihre Recherchearbeiten erledigen lassen und sich auf ihre Rückkehr freuen. Bis dahin würde er sich vernünftig beschäftigen, um nicht verrückt zu werden.
Er rief Justin an.
Er war in der Klinik, unterwegs auf Visitetour.
»Alles okay?«, fragte Stella mit einer Stimme, die vermuten ließ, dass sie anderes erwartete. »Ist Angela bei dir?«
»Im Moment nicht. Sie ist in der Bibliothek, um was nachzuschlagen.«
»Verstehe.« Das Gegenteil war der Fall.
»Ich bin gerade erst zurück, weil ich was anderes überprüft habe. Wir haben uns die Aufgaben geteilt. So kommen wir doppelt so schnell voran.« Klang vernünftig.
»Kluges Kerlchen! Und? Was Wichtiges entdeckt?«
»Schwer zu sagen. Angela hat sich an ein paar weitere Details erinnert. Das Schwierige daran ist, sie zu einem Bild zusammenzusetzen.« Und sich zu entscheiden, ob er wirklich mit mehreren Hexen an einem Vollmondritual teilnehmen wollte. Wenn doch Justin nur hier wäre! Er würde ihm auf alle Fälle von einer Teilnahme abraten und alle seine Zweifel bestätigen.
»Sollte es irgendetwas geben, werdet ihr beide gemeinsam schon drauf kommen.« Stellas Optimismus gefiel ihm. »Und sag ihr, dass ich sie sehr gern habe, machst du das?« Er bejahte. »Ich werde Justin sagen, dass du angerufen hast. Ich muss jetzt weg.« Sie stand auf. »Ich bringe schnell einen Kuchen bei den Frauen vom Women’s Institute vorbei.«
Damit wäre der nächste Ärger mit der Kolonie zweifelsohne vorprogrammiert.
Er hatte partout nicht vor, einfach dazusitzen und auf Justins Rückruf zu warten. Tom fügte am unteren Rand von Angelas Notizzettel die Nachricht hinzu, er sei kurz ausgegangen und bald wieder zurück und, ja, auf die Anwendung von »Vampirtricks« würde er fortan verzichten.
Er war schon auf der anderen Straßenseite und steuerte gerade einen Blumenladen an, der ihm zuvor schon einmal aufgefallen war, als ihm der Gedanke durch den Kopf ging, dass die Zimmermädchen im Royal Oak hoffentlich nicht hereinkämen, um das Bett zu machen.
Er kaufte einen Blumentopf, einen Lavendel, dessen Duft die Erinnerung an alte Wäscheschränke und Sommernachmittage heraufbeschwor; dann machte er sich auf den Weg zu der Fleischerei am Fluss. Angela hatte vor ihrem Weggehen noch alle Vorräte aufgezehrt und würde, wenn sie wieder zurück war, dringend Nachschub brauchen. Irgendwie war sie in diesen Tagen ständig hungrig. Lag es an dem Zauber, der hier in der Luft lag? Ihn machte dieser Ort nervös. Wenn er auch nur einen Funken Vernunft hätte, würden sie sofort nach Angelas Rückkehr von ihrer »Lowtech-Recherche« nach London zurückfahren.
Aber hatte er das Recht, das über ihren Kopf zu entscheiden? Verdammt, nein, stattdessen würde er ihr von Megs Einladung erzählen und bei Abel hoffen, Angela würde sagen, sie hätte keine Lust dazu.
Im Hotel räumte er sämtliche Flaschen aus der Minibar, um Platz für das Fleisch zu machen, stellte den Lavendeltopf auf den Nachttisch und hoffte, sie würde bald zurückkommen.
Sie fehlte ihm so sehr, dass es beinahe wehtat. Doch er musste über die möglichen Konsequenzen nachdenken, wenn man die Einladung einer Hexe ablehnte oder sie gar annahm, und er sollte wirklich noch einmal versuchen, Justin zu erreichen. Eigentlich jedoch wollte er nur zwischen die Bettlaken schlüpfen und seinen Kopf auf das Kissen legen, das nach Angela roch.
Nein. Er musste was tun, aber was? Saugen wäre eine sehr gute Idee. Von Angela konnte er kaum noch mehr nehmen, aber in seiner Eile, hierherzukommen, hatte er vergessen, Blutkonserven einzupacken. Er nahm den Notizzettel vom Bildschirm, legte ihn zusammengefaltet neben den Lavendeltopf – nur für den Fall, dass die Zimmermädchen aufmerksamer waren, als er vermutete – und machte sich auf den Weg.
Irgendwo da draußen müsste sich doch eine Not leidende Seele finden, die gegen einen kleinen Obolus unwissenderweise ein Pintglas voll dieser warmen Flüssigkeit abzugeben hatte.
Er fand sie in einem nahezu verlassenen Friedhof außerhalb der Stadt – in Gestalt eines alten Mannes, der auf einer Bank saß und geistesabwesend einen triefäugigen Spaniel streichelte.
»Tach«, sagte er, als sich Tom neben ihn setzte.
»Guten Tag. Friedlich hier, nicht wahr?« Der Mann nickte. »Da haben Sie wohl recht. Ich komme fast jeden Tag hierher, kenne ich hier doch fast mehr Menschen als da
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