Unsterbliche Leidenschaft
Hauptstraße am vorderen Ende.
Tom wollte sich gerade unauffällig unter sie mischen, als er einen heftigen Stoß gegen den Rücken spürte und ein schmutzig riechender Arm an seine Kehle fasste. »Die Brieftasche, dalli!«
Das war zu viel des Guten. Er hatte es mehr als eilig und war alles andere als in Sonntagslaune.
Er wand sich aus dem Würgegriff und warf den Angreifer zu Boden, ging aber nicht gleich weiter. Da entdeckte er noch den Komplizen, der in einer dunklen Ecke lauerte, packte ihn am Schlafittchen und warf ihn auf seinen Kumpel. Sie waren noch nicht wieder ganz auf den Beinen, da packte er die beiden am Kragen und schleuderte sie über die Mauer. Dem Klang nach zu urteilen, hatte er richtig gezielt. Anscheinend waren sie mitten zwischen den Mülltonnen gelandet. Es schepperte jedenfalls gewaltig, und sie schrien, was das Zeug hielt. Prompt gingen vereinzelt Lichter in den Fenstern an, und eine kräftige Stimme fragte, was denn nun schon wieder los sei.
Na wunderbar. Sollten die beiden mal sehen, wie sie die Sache der Polizei und dem Wirt erklärten. Und sollten sie versuchen, die Wahrheit zu sagen, würde man sie auslachen und auf der Stelle verhaften.
Mit einem zufriedenen Grinsen wischte sich Tom die Hände ab. Nun würden die Pubgäste sicher nach Hause kommen, und er verstand jetzt auch, warum es Kit in seinem Viertel in Ohio so viel Spaß machte, potenziellen Verbrechern aufzulauern. Da bekam man gleich Lust auf mehr. Aber ein andermal. Auf ihn wartete Angela. Er klopfte gegen seine Jackentasche, um sich zu versichern, dass er die Festplatte nicht zwischen Leergut und Kisten verloren hatte. Er hatte keine Ahnung, wo er war, und strich langsam durch das Gewirr von engen Gassen und Reihenhäusern, bis er schließlich auf wunderbare Weise am oberen Ende der High Street wieder herausfand.
Er schlenderte bewusst langsam hügelabwärts und wünschte sich beinahe, der Bande in die Arme zu laufen, die Angela überfallen hatte. Es war aber keine Menschenseele unterwegs, womit sich das Thema Verbrechensbekämpfung für diesen Abend wohl erledigt hatte.
Tom hoffte, die Festplatte enthielte die Informationen, die Angela brauchte. Zu schade, dass er nur einen Laptop dabeihatte. So wie er Angela kannte, würde sie den Inhalt der Festplatte sofort überprüfen wollen. Das war aber nicht weiter schlimm, sie könnten innerhalb weniger Stunden zurück in der South Audley Street sein.
An der Rezeption nahm er sich gerade noch genügend Zeit für die Mitteilung, dass sie kurzfristig abreisen, übermorgen aber wieder zurück sein würden. Ja, das Zimmer würden sie behalten, sagte er noch und war schon im nächsten Moment, zwei Stufen auf einmal nehmend, auf der Treppe verschwunden.
»Du bist zurück, Gott sei Dank.« Angela erhob sich von einem Sessel neben dem Fenster. »Du sagtest was von fünfzehn Minuten, und jetzt sind fast vierzig vergangen.«
»Ich wurde aufgehalten, und auf dem Rückweg habe ich mich noch verlaufen.« Sie ging auf ihn zu und umarmte ihn, fühlte sich dabei weich und warm an, und ihre Haut duftete noch nach Liebe.
»Ich bin so froh, dass du wieder heil zurück bist. Aber wo ist der Computer?«
»Da.« Er zog die Festplatte mit Schwung aus der Tasche – ein bisschen theatralisch vielleicht, aber unter den gegebenen Umständen verzeihlich. »Mehr brauchen wir nicht, und die wird auch nicht so schnell vermisst wie ein ganzer Computer.«
»Und wie wollen wir sehen, was drauf ist?«
»Ganz einfach. Zu Hause habe ich genügend Deltiums herumstehen. Wir fahren schnell rauf, um zu sehen, welche Geheimnisse dieses Ding birgt. Wenn es nötig ist, können wir uns den ganzen morgigen Tag dafür Zeit lassen und sind immer noch rechtzeitig zurück zu unserem Rendezvous mit Meg Merchant und Anhang.«
Sie machte ein erstauntes Gesicht, was ihm nicht schlecht gefiel. »Das hast du doch von vornherein geplant, oder?«
»Irgendjemand muss ja planen.« Sie knurrte tief aus der Kehle, ignorierte aber ansonsten die Anspielung. »Lass uns losfahren. Je früher wir aufbrechen, umso schneller erfahren wir, was da drauf ist.«
Sie fuhren in Richtung Exeter, wo sie sich in den Verkehrsstrom der M5 einfädelten.
»Gab’s was in der Zeit, als ich weg war?«, fragte Tom.
Sie erzählte ihm von dem Anruf.
»Ah!«, sagte Tom, als sie fertig war. »Und willst du jetzt zurück in die Staaten, um deinen Vater zu besuchen?«
»Nein!« Das kam wie aus der Pistole geschossen. »Jetzt nicht, Tom. Später
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