Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12
nie etwas mit Bluttrinkern zu tun
haben wollen - aus dem einfachen Grund, weil Ismail einer von ihnen war.
»Na
gut«, gab sich Sarah zufrieden und knüpfte die letzten Schnüre an Violets
Kostüm zu.
Um
sie von diesem heiklen Thema abzulenken, sagte Violet lächelnd: »Hab ich schon
erwähnt, dass deine letzte Leihgabe ebenso großen Anklang gefunden hat wie das
andere Kleid?«
Sarah
sprang quiekend auf und ab. »Ja, wirklich? Wirklich? Also ehrlich, das hätte
ich nie gedacht! Ich bin ja direkt stolz auf mich!«
»Das
kannst du auch sein«, sagte Violet und ergriff schmunzelnd die Hand der
Jüngeren. »Ich selbst kann die Kleider zwar nicht sehen, aber alle sagen, dass
du sehr talentiert bist, Sarah. Du hast allen Grund, stolz auf dich zu sein.«
»Violet!«,
drang Grahams Stimme durch die dünne Holztür. »Du bist gleich dran!«
»Komme
sofort!«
Sarah
drückte Violet Geige und Bogen in die Hand. »Hier, da hast du deine Geige. Und,
Violet - danke, dass du so nett zu mir bist«, sagte sie leise.
Auch
Sarah hatte kein leichtes Leben hinter sich, hatte nie viel Freundlichkeit oder
gar Fürsorge erfahren. Dabei war sie ein so nettes Mädchen. Sie hatte Besseres
verdient.
Vielleicht,
überlegte Violet, könnte sie ja mit Angelica reden. Vielleicht konnte die
Prinzessin Sarah eine Stelle bei einer Modistin vermitteln. Sie hatte Angelica
zwar erst ein paar Mal getroffen, doch sie war sicher, dass ihr die
liebenswerte Aristokratin helfen würde.
Obwohl
sie Sarah natürlich nur sehr ungern verlieren würde. Aber wenn es das Mädchen
glücklich machte... Außerdem hatte sie selbst ja auch nicht vor, ewig beim
Zirkus zu bleiben.
Nur
so lange, bis sie Ismail gefunden hatte.
Entschlossen
marschierte Violet zum Vorhang. Graham war bereits draußen und kündigte ihre
Nummer an. Ob Ismail vielleicht heute im Publikum saß? Sie tastete
unwillkürlich nach dem Ring, den sie an einer Kette unter ihrer Bluse trug. Sie
musste ihn finden. Aber wie?
Der
Vorhang schwang auf, und Violet betrat die Manege. Sie wusste, dass die
Scheinwerfer ihr folgen würden. Vertraute Gerüche stiegen ihr in die Nase. Sie
holte tief Luft. Heute Abend waren mehr Reiche unter den Zuschauern als je
zuvor. Die unterschiedlichen Parfüms und Duftwässer waren überwältigend.
Unbeirrt
fand sie ihren Platz in der Mitte der Manege. Abermals schnupperte sie: die
üblichen Süßigkeiten und Snacks, Schuhwichse und... Schießpulver? Jemand hatte
eine Waffe dabei! Wieso sollte jemand eine Pistole in den Zirkus mitbringen?
Ihr
Unbehagen verdrängend, klemmte sich Violet ihre Geige unters Kinn und begann zu
spielen. Die Musik wirkte beruhigend auf sie, doch wanderte ihre Aufmerksamkeit
immer wieder zu dem Mann in der dritten Reihe links von ihr. Warum hatte er
eine Pistole dabei? Er wollte doch nicht etwa hier im Zirkus jemanden
erschießen?
Sie
nahm seinen speziellen Geruch auf: Er roch nach Schweiß und nach der
Pfefferminzpastete, die er kurz zuvor gegessen hatte. Und nach Bier. Gott, der
Kerl hatte eine fürchterliche Fahne. Violet erschrak. Der Mann war betrunken,
und er hatte eine Waffe!
Sie
spielte weiter, etwas anderes fiel ihr nicht ein. Ein fehlgeleiteter Instinkt
veranlasste sie, nach links zu gehen, näher an ihn heran. Sie musste etwas
unternehmen. Sagen konnte sie nichts, denn falls er vorhatte zu schießen, würde
er es dann sofort tun. Wenn sie es dem alten Graham doch bloß hätte mitteilen
können. Er hätte sofort ein paar Bühnenarbeiter zu dem Mann geschickt. Aber
würde der warten und sich überwältigen lassen?
Sie
musste etwas tun, bevor jemand starb!
Sie
hörte auf zu spielen. Im Zelt herrschte Totenstille. Sie konnte sich
vorstellen, dass alle Blicke gebannt auf sie gerichtet waren. Sie schnupperte
und nahm nun zum ersten Mal den Geruch ihrer heimatlichen Berge wahr.
Aber
das half ihr jetzt nichts. Sie musste sich ganz auf ihr Ziel konzentrieren.
»Ich
brauche einen Freiwilligen.«
Sofort
kam Bewegung ins Publikum, eifrige Rufe ertönten, sie konnte sich vorstellen,
dass zahlreiche Arme sich reckten. Ob der Mann mit der Waffe sich auch meldete?
Was tat sie eigentlich? War sie verrückt geworden?
»Sie
dort, bitteschön.« Violet deutete auf den Mann mit der Pistole. »Würden Sie mir
freundlicherweise behilflich sein?«
Sie
atmete tief und regelmäßig ein, um sicherzugehen, dass auch der richtige Mann
aufstand. Seine Bierfahne war unverkennbar. Nein, der Mann war sitzen
geblieben.
Da
hörte Violet, wie vereinzelte
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