Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12
wollte.
»Was
ist?« Patrick blieb stehen und nahm sie bei den Händen.
»Was
meinst du?«, fragte Violet verwirrt.
»Du
hast gerade eben die Stirn gerunzelt. Sag mir, warum«, bat Patrick ernsthaft.
»Ich...«
Violet überlegte, was sie sagen sollte. Warum nicht die Wahrheit? Es war lange
her, und schaden konnte es auch nicht. »Ich dachte gerade, dass du recht hast,
manche Menschen vergisst man nicht. Vor allem... wenn der erste Eindruck nicht
gut ist.«
»Ich
hoffe, du meinst nicht mich«, sagte er trocken, und Violet lachte.
Sie
entzog ihm ihre Hände und ging weiter. Der beruhigende Duft von Rosen stieg ihr
in die Nase. Sie hatte nie über ihre Zeit in der Taverne gesprochen. Es war
lange her, wie ein böser Traum, eine Art Übergangsperiode, wie sie es jetzt
betrachtete, zwischen ihrer Kindheit auf der Burg und ihrer Zeit bei den
Zigeunern.
»Meine
Eltern starben, als ich sieben war, und ich wurde zur Arbeit in einer Taverne
gezwungen«, begann Violet. Patrick brauchte nicht zu wissen, wie es kam, dass
sie dort landete. Er brauchte nicht zu wissen, dass die Wirtin sie halb
verhungert im Wald gefunden hatte. Oder dass ihre Mutter durchaus noch am Leben
war. »Ich war noch zu jung, um als Kellnerin zu arbeiten, also hat mich die
Wirtin, eine grobe Frau, in eine Ecke gesetzt, mir einen Sack Kartoffeln
hingestellt und ein Messer in die Hand gedrückt. »Blind oder nicht«, hat sie
immer gesagt, »du hast zwei gesunde Hände, also tu was für dein Brot. Schäl
Kartoffeln.«
Patrick
ging schweigend neben ihr her. Wenn er eine Bemerkung gemacht hätte, hätte sie
vielleicht aufgehört zu erzählen, aber er sagte nichts, also fuhr sie fort.
»Zuerst
habe ich mich ständig geschnitten, und die Wirtin wurde böse, weil die
Kartoffeln blutig waren. An solchen Tagen bekam ich dann nichts zu essen. Ich
habe schnell gelernt, Kartoffeln zu schälen, ohne mich zu schneiden. In der
Küche lagen immer irgendwelche Lappen herum. Ich nahm zwei und wickelte sie mir
um die Hände. Das hat die Arbeit zwar doppelt so schwer gemacht, aber immerhin
habe ich mich nicht mehr geschnitten. Und ich musste nicht mehr hungern.«
Violet
stieß zitternd den Atem aus. Sie musste daran denken, wie die Wirtin sie einmal
dabei erwischt hatte, wie sie sich zwei Lappen aus der Küche nahm. Sie hatte
ihr damit gedroht, sie ihren Gästen zu überlassen, wenn sie sie noch mal dabei
erwischte, wie sie etwas aus der Küche stahl. Violet hatte zu dem Zeitpunkt
lange genug in ihrer Ecke im Schankraum gesessen, um zu wissen, was sie damit
meinte.
Patrick
nahm sie bei der Hand und führte sie zu einer mit kunstvollen Schnitzereien
verzierten Holzbank. Schweigend setzten sie sich.
»Eines
Abends, als ich Kartoffeln schälte, kam ein Mann zu mir. Er roch nach billigem
Whisky. Er sagte nicht viel, aber er hielt sich ständig in meiner Nähe auf. Ich
wusste, dass er... dass er böse war. Das spürte ich irgendwie.«
Sie
musste an seine Pranken denken, wie er sie geweckt hatte, indem er an ihren
Fußgelenken zerrte.
»Später
wurde mir klar, dass dieser Mann kleine Mädchen erwachsenen Frauen vorzog«,
sagte sie erschaudernd. Sie schüttelte das alte Gefühl der Ohnmacht ab. Die Men schen waren eine gewalttätige Spezies, das hatte sie
vor langer Zeit gelernt. Und sie hatte gelernt, dass man nicht schwach sein durfte, denn das nutzten manche aus.
Niemand durfte sie für schwach halten. Violet zwang sich zu einem grimmigen Lächeln.
»Ich
bin ihm entkommen, also ist es nicht weiter wich tig. Aber ich weiß, was du meinst, wenn du sagst, manche Menschen vergisst man nie.«
Wie
sehr sie sich gefürchtet hatte in jener Nacht, als sie von dem Mann, von der
Taverne davonlief. Sie wusste nicht, was aus ihr geworden wäre, wenn die
Zigeuner nicht aufgetaucht wären. Aber das waren sie. Die Seherin hatte sie
gerettet.
»Du
bist so schön«, sagte Patrick und streichelte ihre Wange. Violet merkte, wie
gerne sie es mochte, wenn Patrick sie streichelte.
»Und
so stark.« Er hob ihr Kinn und gab ihr einen zärtlichen Kuss, einen Kuss, der
sie alle schlimmen Erinnerungen vergessen ließ. Zurück blieb eine seltsame
Schüchternheit.
Warum
fühlte sie sich bei diesem Mann so behütet, so geborgen? Die Erkenntnis, dass
er ihr schon viel zu nahe gekommen war, ließ sie zurückweichen.
»Wir
haben die Orchideen noch gar nicht gesehen. Du hast doch versprochen, sie mir
zu zeigen.«
Patrick
lachte. »Wie nachlässig von mir! Selbstverständlich werde ich dir die
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