Unsterbliches Verlangen
sah gut aus. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden, Ihre Wangen leicht gerötet und der Blick leuchtend. Sie wirkte gesund und munter genug, dass selbst sie es ein bisschen glauben wollte.
Und schon morgen könnte sie es vielleicht sein. Sie war dankbar, sich heute Abend mit der Party ablenken zu können, denn sie hätte nicht gewusst, was sie getan hätte, wäre sie gezwungen gewesen, den ganzen Abend zu überlegen, was sie morgen finden würden, falls - wenn sie endlich den Kellereingang aufbrachen.
Trotzdem schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel, als sie hinunterging. Und zugleich empfand sie einen Anflug von Enttäuschung. Falls - nein, wenn - sie den Gral fanden, gab es für Chapel keinen Grund mehr, in Tintagel zu bleiben. Es sei denn natürlich, er beschloss, ihretwegen hierzubleiben.
Aber sie war nicht bereit, sich auf das Glück zu verlassen. ja, vielleicht blieb er noch ein wenig, doch es war unrealistisch, anzunehmen, dass es für immer wäre, was er wahrscheinlich ohnehin nicht wollte. Und falls sie den Gral nicht fanden, würde mit ihm ihre Chance entschwinden, große Leidenschaft zu erleben. Ihr würde die einzige Möglichkeit, den Rest ihres Lebens voll auszukosten, durch die Finger rinnen.
Dieser Gedanke allein reichte, dass ihr Brustkorb sich unangenehm eng anfühlte und sie kaum noch Luft bekam. Am besten dachte sie nicht daran.
Heute Abend musste sie die Gelegenheit ergreifen und Chapel erobern.
Es war nicht bloß Leidenschaft, was sie wollte. Sie wollte sich geliebt und geachtet fühlen. Und sie wusste, dass er ihr genau das geben würde. Einst war sie eine normale Frau gewesen, die all die Hoffnungen hegte, welche mit ihrem Status einhergingen. Viele dieser Hoffnungen waren ihr nun genommen worden, beziehungsweise sie hatte sie aufgegeben. jetzt jedoch bot sich ihr die Chance, etwas zu bekommen, von dem sie glaubte, dass es fürwahr besonders war, etwas Flüchtiges und allzu Rares.
Die Party fand im Musikzimmer im Erdgeschoss statt. Die Schiebetüren zum Salon waren weit offen, um zusätzlichen Platz zu bieten, damit die Gäste tanzen konnten, wenn sie wollten.
Es war keine große Gesellschaft, fünzig bis fünfundsiebzig Gäste aus der Nachbarschaft - Landadel und angesehene Familien. Ihr Vater hatte sogar den örtlichen Hilfspfarrer eingeladen, damit Pater Molyneux jemanden hatte, mit dem er sich austauschen konnte. Was Pru betraf, fand sie Mr. Feathers allerdings ein wenig zu fromm und voreingenommen, um sich mit dem französischen Priester anzufreunden.
Um Molyneux sorgte sie sich jedoch nicht. Lächelnd betrat sie den Raum und grüßte diejenigen Gäste, an denen sie vorüberkam oder die auf sie zukamen. Bei ihren Schwestern blieb sie kurz stehen, um ihnen und ihren Männern guten Abend zu sagen, und drückte ihrem Vater sanft den Arm.
All das tat sie wie von Zauberhand geführt, während sie sich immer wieder im Raum umschaute und nach einem vertrauten Blondschopf Ausschau hielt.
Ihr Herz vollführte einen Hüpfer, als sie ihn endlich entdeckte. Er ging gerade durch die Glasflügeltüren nach draußen in den Garten. Perfekt! Dort könnte sie ihn für einen Moment ganz für sich haben.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie sich endlich durch die Menge gekämpft hatte, auch wenn sie gar nicht besonders groß war. Aber jeder wollte mit ihr plaudern, was ganz allein ihre Schuld war. Die Ausgrabung kostete sie so viel Zeit, dass sie kaum noch ins Dorf ging. Überhaupt hatte sie viele ihrer alten Gewohnheiten und Pflichten schleifen lassen, was sie dringend wieder ändern sollte.
Schließlich erreichte sie die Gartentüren. Niemand schien zu bemerken, wie sie sich hinaus in die kühle Abendluft schlich.
Draußen blieb sie eine kleine Welle im Licht der Fenster stehen, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, die nur hier und da von Laternen erhellt wurde.
Sobald sie eine schneeweiße Krawatte und die glühende Spitze einer brennenden Zigarette ein Stück weiter ausgemacht hatte, ging sie darauf zu. Als sie in den dunkleren Teil des Gartens gelangte, kam es ihr vor, als würde sie eine Welt verlassen und eine andere, fremde und exotische, betreten. Das war natürlich nur Einbildung, dennoch kribbelte es vor Aufregung in ihrem Bauch.
Ihre Röcke raschelten auf den flachen Stufen, Gras verfing sich in den Säumen. Und mit jedem Schritt, den sie sich Chapel näherte, klopfte ihr Herz ein bisschen schneller. Noch nie im Leben war sie so nervös
Weitere Kostenlose Bücher