Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
hatte sie dort alles langweilig und fade gefunden. Aber nun fühlte sie sich hier sehr wohl und sah gerne den Pflanzen beim Wachsen zu. Überhaupt waren die Gärtner eine angenehme Truppe, in deren Gesellschaft die Königin viele ihrer Sorgen vergessen konnte. Und es sah bisher so aus, als wahrten sie auch das Geheimnis der Königin um deren Sämling.
Die Probleme der Gärtner waren so ganz anders als ihre eigenen. Valralka lernte gerne von ihnen, wie jene Rosen oder diese Heilkräuter zu bewässern waren, wann die Zeit der Aussaat für dies und das am besten war und lauschte den Geschichten über die Heldentaten des Anbaus von Gerste. Denn darin waren sie besonders gut, wenn man ihren Aussagen Glauben schenkte. Sie hatten den Ertrag eines Feldes mehr als verdoppelt, seit sie in Vanafelgar waren. Das Veredeln der Pflanzen war ihre größte Leidenschaft. Nur darin schienen sie ihre Befriedigung zu finden. In den Palastgärten wurden weniger Blumen und Zierpflanzen gehegt, als sie immer gedacht hatte. Die Gärtner waren dafür zuständig, die Erträge der Felder zu erhöhen und auch beim Obst waren sie darin sehr erfolgreich gewesen. Da das Volk der Anyanar seit Langem nicht mehr wuchs, war den Gärtnern jedoch ihr Hauptanliegen genommen worden. Die Felder Maladans trugen mehr Feldfrüchte, als überhaupt benötigt wurden. Schon durch die Verdopplung des Ertrages bei der Gerste entstanden gewaltige Überschüsse, die keine Verwendung mehr fanden. In jedem Herbst wurden Berge von Obst zu Wein und Schnaps vergärt und gebrannt. Selbst aus der Gerste machte man dann Alkohol, welcher in den Thainaten verkauft wurde. Aber die Bauern unter den Anyanar draußen im Lande bauten mit der Zeit auch weniger an, erklärten ihr die Gärtner. Es wollte niemand etwas produzieren, was dann nicht gebraucht wurde. Die Ehre des Feldbaus und die Ehrfurcht vor seinen Erzeugnissen waren zu groß, als dass die Bauern ihre Kraft nur darauf verwenden wollten, Alkohol herzustellen. Die Anyanar selbst mochten diese berauschenden Getränke nur in ihrer Jugend genießen. Wenn sie älter wurden, mieden sie sie. Und mit Ausnahme von einigen wenigen wie Valralka, waren die Anyanar Maladans alle über 800 Sonnenjahre alt. Es war eine Sensation im Lande gewesen, als ihre Mutter mit ihr schwanger ging. Für viele war dies der Beweis dafür, dass das Haus Vanadirs von den Mächten selbst gesegnet worden war. Niemand hielt es für einen Zufall, dass ausgerechnet im Königshaus ein Kind zur Welt kommen sollte, wo doch nur noch vielleicht eine Handvoll dieser seltenen Ereignisse im Jahr passierten.
Valralka kannte die Zahl der Geburten ihres Volkes. In diesem Jahr und dem letzten hatte nicht ein einziges Kind das Licht der Welt erblickt. In den Jahren zuvor waren es auch immer weniger geworden und manchmal waren es nur noch eine oder zwei Geburten im ganzen Land. Bei den Menschen jenseits des Weißen Gebirges im Osten, die unter ihrer Herrschaft standen, war es anders. Diesen wurden so viele Kinder geboren wie eh und je, wenn man die Verheirateten als Grundlage für die Berechnung nahm. Doch die Zahl der Menschen war insgesamt geschrumpft, da auch bei ihnen der Krieg seinen Tribut forderte. In Antarien und Herongan lebten um das Jahr 1100 der Zeitrechnung Vanafelgars noch doppelt so viele Menschen wie heute unter den Bannern der Vanäer. Der Blutzoll, den diese damit in den Kriegen ihres Hauses erbrachten, war also ungleich höher zu bemessen als der der Anyanar. Dafür war der Schmerz der unsterblichen Kinder des Einen um ihre Gefallenen für alle Zeiten in den Lebenden eingebrannt.
Während Valralka auf einer der aus weißem Stein gemeißelten Bänke saß und die warme Sonne genoss, gingen die Gärtner ihrem Geschäft nach. Sie waren froh darüber, dass die Königin ihnen Aufmerksamkeit schenkte, denn ihr Tun war ihnen oft als überflüssig erschienen. Leider hatte ihr Wirken für die meisten Bewohner Maladans keinen Nutzen mehr.
Als Valralka gegen Abend in ihre Gemächer zurückkehrte, sah sie zuerst nach dem Sämling. Diese Bezeichnung entsprach nicht mehr dem Zustand der Pflanze. Schon vor fünf Tagen mussten sie den Deckel vom Glas nehmen, weil er so schnell gewachsen war, dass er sich daran stieß. Leanda und ihre Gärtner wussten noch immer nicht, um was es sich bei der Pflanze handelte. Nur eines war sicher: Es musste sich um einen Baum handeln, der dort in den Gemächern der Königin so schnell heranwuchs. Leanda meinte, dass es sich um eine
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