Unter deinem Stern
an, dir noch mehr Fische zu kaufen? Du musst dein Leben endlich mal in den Griff bekommen!«
»Ich weiß, ich weiß«, seufzte er. »Ich mache wahrscheinlich gerade das schlimmste Jahr durch, das je ein Mensch erlebt hat.« Er nahm das Glas mit der Tomatensoße und las den italienisch klingenden Namen. Dann drehte er es um, und auf der Rückseite stand Made in England.
»Nein, nicht ganz«, sagte Kristen.
Simon hob die Brauen. Wie konnte jemand ein noch schlimmeres Jahr durchlebt haben als er?
»Ich hab dir doch schon öfter von Claudie erzählt, oder?«, sagte Kristen, einen riesigen hölzernen Kochlöffel in der Hand.
Simon nickte. »Die Freundin von dir, deren Mann gestorben ist?«
»Ja. Sie benimmt sich in letzter Zeit ziemlich merkwürdig – führt dauernd Selbstgespräche.«
»Na ja, das tue ich auch manchmal.«
»Bei der Arbeit? Den ganzen Tag lang?«
»Äh – nein.«
»Sie schon. Das Seltsamste daran ist, dass es ihr so gut zu gehen scheint wie lange nicht mehr. Ich versuche immer wieder, mit ihr darüber zu reden, aber sie behauptet steif und fest, es sei alles in Ordnung.«
»Wo ist das Problem? Warum lässt du sie ihr Leben nicht einfach auf ihre eigene Weise regeln?«
»Weil es nicht normal ist!«
»Wer bestimmt denn, was normal ist?«
»Jetzt werd bloß nicht philosophisch. Ich hab dich eingeladen, weil ich einen Rat von dir haben wollte, und jetzt muss ich mir deine gebildeten Vorträge anhören.«
Simon grinste. »Sorry.«
»Ich wollte nur sagen, ich finde, ihr zwei solltet euch endlich mal kennen lernen. Ihr würdet euch bestimmt gut verstehen.«
Simon zog die Brauen zusammen. »Du versuchst doch nicht etwa, mich zu verkuppeln?«
»Nein! Wie kommst du denn darauf? Kann ich dich nicht einfach meiner besten Freundin vorstellen? Das hab ich doch schon seit einer Ewigkeit vor!«
»Bist du sicher, dass sie bereit ist, mich kennen zu lernen? Ich meine, so, wie du sie beschreibst, scheint sie ein bisschen –«
»Labil zu sein?«
Simon nickte.
»Ist sie auch. Gott, hab ich dir mal von den Pinienkernen erzählt?«
Simon schüttelte den Kopf.
»Das war ein paar Tage nach der Beerdigung. Claudie und ich waren zusammen einkaufen. Ich musste sie fast mit Gewalt aus dem Haus zerren. Himmel, sie war so schlaff und leblos wie eine Stoffpuppe! Ich hab sie den Einkaufswagen schieben lassen, weil ich dachte, es wäre vielleicht besser, wenn sie sich an was festhält, während ich die Sachen auf dem Einkaufszettel zusammensuchte.
Als ich mit einer Schachtel Papiertaschentücher für Jimmys Heuschnupfen zurückkam, traute ich meinen Augen nicht.«
»Was war denn passiert?«
Kristen blickte nachdenklich drein, als würde sie die Szene noch einmal durchleben. »Sie stand stocksteif da und starrte auf etwas, als wollte sie es mit ihrem Blick durchbohren. Anfangs konnte ich gar nicht erkennen, was sie da in der Hand hielt. Dann stellte sich heraus, dass es eine kleine Tüte mit Pinienkernen war. Willst du die kaufen, Claudie?, hab ich sie gefragt. Aber sie hat nur den Kopf geschüttelt und sie wieder weggelegt, und dabei zitterte ihre Hand wie ein Weidenkätzchen im Frühling.«
»Hast du rausgefunden, was los war?«
»Nein! Ich hab mich nicht getraut zu fragen. Ich schätze mal, wir sollten uns vorerst von Pesto fern halten.«
»Ich mag sowieso kein Pesto«, sagte Simon.
»Ich auch nicht. Ich hab lieber so was«, sagte Kristen und griff nach der Tomatensoße. »Die hab ich selbst gemacht. Ich hab sie einen ganzen Nachmittag lang eingekocht und dann in diese Gläser gefüllt.«
»Das ist also das Geheimnis?«
»Eigentlich glaube ich, dass ich eine ziemlich schlechte Hausfrau abgebe«, sagte sie ernst. »Ich kann überhaupt nicht kochen.«
»Wer hat das denn behauptet?«, fragte Jimmy, der plötzlich in der Tür stand. »Du kochst sehr gut. Ich liebe dein Essen.«
»Also, das kann man wohl kaum kochen nennen«, erwiderte Kristen, schüttete die Nudeln ab und goss die Soße darüber.
Jimmy kam in die Küche, legte ihr einen Arm um die Taille und drückte ihr einen peinlich lauten Kuss auf die Wange.
Von dieser Szene ehelichen Glücks unangenehm berührt, ging Simon ins Wohnzimmer und überließ die beiden ihrer trauten Zweisamkeit.
Die Post war noch nicht da gewesen, als Simon sich auf den Weg zu Kristen gemacht hatte, und er wunderte sich nicht, als er bei seiner Rückkehr drei braune Fensterumschläge auf seiner Fußmatte vorfand. Er öffnete sie und verzog das Gesicht beim Anblick
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