Unter dem Banner von Dorsai
worden waren – der sinnlose und zwar berücksichtigte, aber doch nur statistisch gesehen für möglich erachtete, verhängnisvolle Zufall, der Mark Torre schließlich eingeholt hatte. Der Bau der Letzten Enzyklopädie hatte direkt von Anfang an latente Ängste in jedem labilen Bewußtsein auf den vierzehn zivilisierten Welten der Menschheit freigesetzt. Denn der Zweck der Enzyklopädie war die Erforschung jenes Mysteriums, das weder genau definiert noch mit einfachen Worten beschrieben werden konnte – und das hatte Angst und Schrecken unter den Psychopathen der Erde und den anderen Planeten hervorgerufen.
Und einer dieser Psychopathen war schließlich bis zu Mark Torre vorgedrungen – ein armseliger Paranoiker, der seine Krankheit sogar vor seinen eigenen Familienangehörigen hatte verbergen können und in seinem Bewußtsein den Wahn gehegt und genährt hatte, die Letzte Enzyklopädie stelle ein Superhirn dar, das die ganze Menschheit willenlos machte. Wir schritten an seiner vor dem Büro auf dem Boden liegenden Leiche vorbei, als Lisa und ich schließlich dort ankamen: ein hagerer, weißhaariger Mann mit freundlichem Gesicht, auf dessen Stirn Blut klebte.
Man hatte ihn, wie Lisa mir sagte, irrtümlicherweise hereingelassen. Für diesen Nachmittag war ein neuer Arzt zu einem Vorstellungstermin bei Mark Torre erwartet worden. Statt dessen hatte man durch irgendein Versehen diesem älteren, gutgekleideten und so sympathisch und liebenswürdig wirkenden Mann Zugang gestattet. Er hatte zweimal auf Mark geschossen und dann einmal auf sich selbst: Er war sofort tot gewesen. Mark, in dessen Lungen die Splitter zweier Schrapnellgeschosse steckten, lebte noch.
Lisa brachte mich schließlich zu ihm. Er lag regungslos auf dem Rücken, auf der blutdurchtränkten Steppdecke des großen Bettes in dem Schlafzimmer, das sich direkt neben dem Büro befand. Man hatte seinen Oberkörper entkleidet, und ein großer weißer Verband zog sich wie ein Schulterriemen oder Patronengurt über seine Brust. Seine Augen waren geschlossen und tiefliegend, so daß sich seine hervorstehende Nase und das vorspringende Kinn nach oben zu recken schienen – fast so, als trotze er wütend und entschlossen dem Tod, der seinen hart ringenden Geist langsam und für immer unter die schwarzen Wasser des Nichts zerrte.
Aber es war nicht sein Gesicht, das meine Aufmerksamkeit fesselte. Mir fielen die überraschende Breite seiner Brust und der Schultern und die Länge seiner nackten Arme auf, als er dort so vor mir lag. Plötzlich stieg aus, dem viele Jahre zurückliegenden und fast vergessenen Geschichtsunterricht meiner Kindheit ein Erinnerungsbild zu mir empor: Ich sah den Zeugen des Attentats auf Abraham Lincoln, der schwer verletzt und sterbend auf der Couch lag; und ich sah die Verwunderung in den Zügen dieses Zeugen, als er die Kraft von Muskeln und Sehnen bemerkte, die ihm der entkleidete Oberkörper des Präsidenten offenbarte.
So war es auch mit Mark Torre. In seinem Fall hatten sich die Muskeln durch lange Krankheit und mangelnden Gebrauch zurückgebildet, aber Breite und Umfang seines Oberkörpers machten die physische Kraft deutlich, die er als junger Mann gehabt haben mußte. Es hielten sich noch andere Personen in dem Zimmer auf, und einige von ihnen waren Ärzte. Doch sie machten uns bereitwillig Platz, als Lisa mich ans Bett führte.
Sie beugte sich zu ihm herab und sprach ihn mit leiser Stimme an.
„Mark“, sagte sie. „Mark!“
Einige Sekunden lang hatte es den Anschein, als würde er nicht antworten. Ich erinnere mich daran, daß ich sogar glaubte, er sei bereits tot. Aber dann öffneten sich
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