Unter dem Banner von Dorsai
und stellte mich einem anderen Sekretär vor, einem Mann in mittleren Jahren diesmal. Er geleitete mich durch verschiedene Räume und wies mir den Weg durch einen langen Korridor und um eine weitere Ecke herum, hinter der nach seinen Worten der Eingang zu den Büroräumen lag, in denen Padma zur Zeit arbeitete. Dann verließ er mich.
Ich ging in die von ihm angegebene Richtung. Doch als ich durch den Eingang trat, befand ich mich nicht in einem Zimmer, sondern in einem anderen, kurzen Gang. Und ich blieb wie angewurzelt stehen. Denn ich glaubte plötzlich, Kensie Graeme käme mir entgegen – und nicht mit freundlichem Gesicht, sondern mit Wut und Entschlossenheit in seinen Zügen.
Aber der Mann, der wie Kensie aussah, warf mir nur einen beiläufigen Blick zu und schritt auf mich zu, ohne mich weiter zu beachten. Dann begriff ich.
Es war natürlich nicht Kensie. Es war Kensies Zwillingsbruder Ian, der Kommandeur der Garnisonstruppen hier in Blauvain. Er schritt mir entgegen, und ich begann mich wieder in Bewegung zu setzen und auf ihn zuzugehen. Doch ich konnte den Schock der Überraschung nicht abstreifen, bis er an mir vorbeischritt.
Ich glaube, niemand in meiner Position hätte ihm auf diese Weise begegnen können, ohne genauso verblüfft zu sein. Von Janol hatte ich einige Male gehört, daß Ian das genaue Gegenteil von Kensie war. Nicht im militärischen Sinne – beide waren hervorragende Musterexemplare von Dorsai-Ofizieren –, sondern was ihre persönlichen Eigenarten, ihre Charaktere betraf.
Kensie hatte vom ersten Augenblick an einen nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht – mit seiner freundlichen und zuvorkommenden Natur und der menschlichen Wärme, die manchmal genau die Tatsache vergessen ließ, daß er ein Dorsai war. Wenn er nicht zu sehr und unmittelbar mit militärischen Angelegenheiten beschäftigt war, dann schien er ganz Sonnenschein zu sein. In seiner Gegenwart konnte man sich genauso wärmen wie im Sonnenlicht. Ian, sein physisches Duplikat, das mir nun wie eine Art zweiäugiger Odin entgegenschritt, war der Schatten selbst.
Dies war letztendlich die Verkörperung der Legende von den Dorsai. Dies war der strenge Mann mit dem eisernen Herzen und der dunklen und einsamen Seele. In der mächtigen Festung seines Körpers wohnte das essentielle Ich Ians so isoliert wie ein Eremit in einer Höhle. Er war der grimmige und einsame Hochländer seiner fernen Vorfahren, die in ihm wieder zum Leben erwachten.
Weder Gesetz noch Moral waren Ians Maximen, sondern Vertrauen in das gegebene Wort, Sippenloyalität und die Pflicht zur Blutfehde. Er war ein Mann, der die Hölle selbst durchqueren würde, um eine Schuld zu begleichen, im guten wie im schlechten Sinne. Und in dem Augenblick, als ich ihn näher kommen sah und ihn schließlich erkannte, dankte ich plötzlich allen noch übriggebliebenen Göttern, daß er bei mir keine Schuld offen hatte.
Dann waren wir aneinander vorbei, und er verschwand hinter einer Ecke.
Gerüchte wollten wissen, erinnerte ich mich, daß die Finsternis an und in ihm nur in Kensies Nähe erhellt wurde, daß er im wahrsten Sinne des Wortes die andere Hälfte seines Zwillingsbruders war. Und daß er für immer in seiner eigenen Nacht gefangen war, wenn er das Licht verlor, das Kensies strahlende Gegenwart auf ihn warf.
Es war eine Bemerkung, an die ich mich später erinnern sollte, ebenso wie an den Augenblick, als ich ihn mir entgegenkommen sah.
Jetzt aber vergaß ich ihn wieder, als ich durch einen weiteren Zugang schritt und durch ihn in ein Zimmer gelangte, das wie ein kleiner Wintergarten aussah. Und dort saß Padma, gekleidet in seine blaue Robe, mit freundlichem Gesicht
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