Unter dem Banner von Dorsai
Streben nicht begreifen. Doch dann wurde mir allmählich klar, daß all diese peitschenden Blitze eine furiose Anstrengung fürs Überleben und für den Sieg darstellten im Kampf gegen die mich umgebende, alte, ewig dahinströmende Finsternis, die stets versucht, all diese Blitze zu unterdrücken und auszulöschen. Es war auch nicht irgendein beliebiger Kampf, den ich erlebte. Jetzt erkannte ich Hinterhalt und Niederlage, Strategie und Taktik, Schlag und Gegenschlag in diesem Kampf um die Macht zwischen Blitz und Finsternis.
Dann im gleichen Augenblick, tauchte die Erinnerung an den Klang der Milliarden Stimmen auf, die wieder um mich im Rhythmus der Blitzschläge anschwollen, und gab mir den Schlüssel für all das, was ich erblickte. Urplötzlich, so wie ein einziger flammender Blitz in Sekundenschnelle eine Landschaft meilenweit im Umkreis erhellt, erkannte ich intuitiv all das Geschehen, das um mich herum ablief.
Es war der jahrhundertealte Kampf des Menschen, seine Rasse zu erhalten und in die Zukunft vorzudringen, das unermüdliche, furiose Bestreben dieses tierischen und göttlichen, primitiven und raffinierten, wilden und zivilisierten und komplizierten Organismus, der die menschliche Rasse darstellte und der um sein Fortkommen und seinen Fortschritt kämpfte. Vorwärts und hinauf, immer weiter hinauf, bis das Unmögliche erreicht war, bis alle Schranken durchbrochen, alle Leiden besiegt, alle Fähigkeiten erworben waren, bis es nur noch Blitze und keine Finsternis mehr gab.
Es waren die Stimmen dieser endlosen und stetigen Bemühungen durch die Jahrhunderte, die ich dort im Indexraum vernommen hatte. Es war dasselbe Streben, das die Exoten mit ihrer fremdartigen Magie der psychologischen und philosophischen Wissenschaften einzufangen versuchten, jenes Streben, für das die Enzyklopädie letztlich bestimmt war, um die verflossenen Jahrhunderte der menschlichen Existenz zu durchforschen, damit der Weg des Menschen in die Zukunft sinnvoll berechnet werden kann.
Das war es, was Padma, Mark Torre, was jedermann und auch mich bewegte. Denn jedes menschliche Wesen war in der strebsamen Masse seiner Mitmenschen gefangen und konnte sich dem Lebenskampf nicht entziehen. Jeder von uns, der in diesem Augenblick lebte, war in diesen Kampf verstrickt, als Teilnehmer und als Spielball dieses Kampfes zugleich.
Doch bei diesem Gedanken wurde mir plötzlich bewußt, daß ich anders war, nicht nur ein Spielball fremder Mächte. Ich war mehr als das – vielleicht eine Art potentielle Macht, möglicherweise sogar Herr dieser Ereignisse. Da geschah es erstmals, daß ich Hand an die Blitze legte, die über meinem Haupte zuckten, und versuchte, sie zu beherrschen, zu wenden und zu führen und sie zu zwingen, meinen Zwecken und meinen Wünschen zu dienen.
Dennoch wurde ich durch unermeßliche Weiten geschleudert, aber nicht mehr wie ein Schiff über die sturmgepeitschte See, sondern wie ein Kahn, den ich fest im Griff hatte, um mit dem Wind zu segeln. Und im gleichen Augenblick überkam mich zum ersten Mal das Gefühl meiner eigenen Festigkeit und Kraft. Denn die Blitze schmiegten sich in meine Hand, gehorchten meinem Willen und ließen sich führen und lenken. Ich spürte es deutlich – diese entfesselte Kraft in mir, die jeder Beschreibung spottet. Und schließlich wurde mir auch bewußt, daß ich nie zu den Schwachen und Herumgestoßenen gehört hatte. Ich war ein Herr und Meister, und ich hatte die Gabe, zumindest teilweise in diesem Kampf zwischen Licht und Finsternis all das nach meinem Willen zu formen, was ich berührte.
Erst jetzt wurde mir bewußt, wie dünn solche Menschen wie ich gesät sind. Sie waren
Weitere Kostenlose Bücher