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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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gezogen, die Stute in vollem Galopp, und mir die Zügel geschnappt und mich festgehalten, während sie am Maisfeld entlangflog. Und ich habe die beiden Afrikaander-Jungs geschlagen, die beide schon weit vor der Ziellinie in Erdferkellöcher gestolpert waren.«
    Am 16. Dezember gewann Mum auf Violet das Rennen am Dingaan’s Day, kam um Längen vor Flip Prinsloos Cousin Pieter ins Ziel. Flip war siegestrunken. Er kaufte Mum in der Venus Bar viele Tafeln Schokolade und bot ihr an, sie mit seinen Söhnen zu verheiraten. »Der eine war dreizehn, der andere längst unter der Haube«, sagt Mum. »Aber das focht Flip nicht an. Ich könnte einen von beiden haben oder beide, sagte er, ganz nach Belieben.«
    »Ich will Ihre Söhne nicht«, sagte Mum zu Flip. Und Schokolade wollte sie auch keine. Sie wollte Violet.
    Flip schüttelte den Kopf. »Nein, nicht das Pferd«, sagte er.
    »Wenn ich sie nicht haben kann, reite ich sie auch nicht«, sagte Mum.
    Flip fummelte an seinem Hut herum. »Ist das so?«
    »Ja«, sagte Mum.
    Schließlich einigten sich Mum und Flip auf einen Kompromiss. Sie durfte sich das Pferd für Turniere und Ausritte ausleihen, sooft sie wollte, wenn sie als Gegenleistung jedes Jahr am Dingaan’s Day für ihn ritt.
    »Abgemacht«, sagte Mum und schüttelte eine von Flip Prinsloos enormen Pranken.
    Flip nahm einen tiefen Schluck aus der Brandyflasche. »Op Violet«, sagte er und bot Mum die Flasche an.
    Mum setzte sie an die Lippen. »Auf Violet«, stimmte sie ein.
    Und auf einmal und zum ersten Mal in ihrem Leben gewann Mum die Turniere, für die sie sich meldete: Springwettbewerbe, Pferderennen, Slalomreiten. »Die Stute kannte nur ein Tempo: Volldampf. Niemand konnte sie aufhalten. Auch ich nicht. Aber ich konnte sie lenken, und so lange ich oben blieb, siegten und siegten und siegten wir. Wir gewannen, was es zu gewinnen gab.«

Nicola Huntingford und die Mau-Mau

    Donnie auf der Farm, Kenia, ca. 1960
    Einmal die Woche ging mein Großvater mit Tante Glug und Mum in eins der beiden Kinos in Eldoret: entweder das Roxy oder das Lyric. Und jede Woche litt Mum Höllenqualen, weil sie zwischen Rowan-Tree-Fruchtgummis und Wilkinson’s Dolly-Mischung wählen musste. »Wenn wir am Kino ankamen, hätte ich fast sterben können. Beides war so köstlich, und ich wusste nicht, wofür ich mich entscheiden sollte«, sagt sie. Und wenn sie sich dann endlich nach sorgfältigster Abwägung für eine der Süßigkeiten entschieden hatte, wurden Mum, Tante Glug und mein Großvater von Platzanweiserinnen, die wie die Affen der Leierkastenmänner in lustige Uniformen gekleidet waren, den Fes schräg auf dem Kopf, an ihre Plätze geführt.
    Die Lichter gingen aus, und in dem von hinten angestrahlten Malvengrau des Zigarettenrauchs begann die Vorstellung. Zuerst eine Pathé-Wochenschau, eine patriotische britische Produktion, die immer auch Amüsantes über entlegene Themen brachte. »Die königliche Familie bei irgendwelchen pferdenärrischen Verrichtungen oder eine Fabrik in Manchester, die jede Menge patriotischen Qualm in den düsteren englischen Himmel rülpste«, sagt Mum. Nach der Wochenschau gab es eine Pause, in der die Erwachsenen ihre Cocktails auffrischten und die Inder, die das Kino betrieben, über den steinalten, rost- und staubbedeckten Projektoren schwitzten.
    »Und nach all dem Brimborium dann endlich der Hauptfilm«, sagt Mum. »Meistens ein Kriegsfilm, Unmengen von fiesen Nazis, die dran glauben müssen, weil heldenhafte britische Soldaten der Übermacht des Bösen trotzen. Die Lautsprecher waren miserabel, deshalb taten wir uns bei den Western immer schwer mit dem amerikanischen Akzent.« Mum wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu, als sei ich persönlich verantwortlich für die mangelhafte Wiedergabe von John Waynes breitem, amerikanischem Akzent. Dann fährt sie in versöhnlicherem Tonfall fort: »Natürlich war die Handlung meist schrecklich simpel, deshalb hat es nicht so viel ausgemacht – eine Handvoll Cowboys knallten massenweise Rothäute ab.« Mum rümpft die Nase. »Sehr steif auf ihren Pferden, fanden wir immer.«
    Wir führen dieses Gespräch während einer Fahrt durch Südafrika von Kapstadt nordwärts nach Clanwilliam am westlichen Kap. Ich bin mit dem Flieger aus Wyoming gekommen, Mum und Dad sind von Sambia hierhergeflogen, um mich abzuholen. Die kalte Regenzeit ist gerade vorüber, die Luft draußen summt in Erwartung der grausamen Sommerhitze, die beinahe stündlich an Kraft gewinnt. Die

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