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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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Hundertsiebzig von ihnen standen mit Maschinenpistolen um uns herum. Dreißig Bewacher waren bei uns in den Gräben. Wenn der diensthabende Weiße in die Trillerpfeife blies, fingen sie an, auf uns einzuprügeln. Sie prügelten uns von 8 Uhr bis 11.30 Uhr. Sie prügelten uns wie Hunde. Ich war unter den Körpern der anderen begraben – nur die Arme und Beine schauten noch hervor. Ich hatte Glück, dass ich überlebte. Aber die anderen wurden weiter geschlagen. Für sie gab es kein Entrinnen.«
    Nervös gewordene Siedler machten Pläne, Kenia zu verlassen, verkauften eilig ihre Farmen und machten sich nach Australien oder Großbritannien auf, um dort allen, die Ohren hatten zu hören, mit dem Loblied auf das perfekte äquatoriale Licht Ostafrikas auf den Wecker zu gehen. »Man nannte sie die ewig Gestrigen. Ihre Leier war, ›damals, als wir noch in Kenia lebten‹, verstehst du? Aber jeder wusste, dass das alte koloniale Kenia am Ende war. Man konnte noch so viele britische Soldaten in die Kolonie schicken, noch so viele Kikuyu festnehmen oder erschießen – mit dem wohlgefälligen Honigschlecken einer Minderheit auf Kosten einer grollenden Mehrheit war es vorbei.«
    Etwa um diese Zeit stand plötzlich Flip Prinsloo wieder vor der Tür der Huntingfords und wollte meine Großmutter sprechen. Und meine Großmutter setzte sich wieder mit ihm auf die Veranda und schenkte ihnen beiden selbstgekelterten Wein in die Gläser. »Auf uns«, sagte sie und erhob ihr Glas.
    »Ja«, stimmte Flip ein. Er drehte das Glas ein paarmal in der Hand, bevor er trank. »Also«, sagte er, nachdem das Brennen in der Kehle so weit nachgelassen hatte, dass er sprechen konnte. »Ihr habt diesen Krieg verloren.«
    »Ja, das ist uns nicht entgangen«, antwortete meine Großmutter.
    Schweigend tranken sie ihre Gläser leer, dann erhob sich Flip. »Wir gehen zurück nach Südafrika«, sagte er.
    »Davon hab ich gehört«, sagte meine Großmutter. Sie nahm die Flasche zur Hand. »Bleiben Sie wenigstens noch auf ein Gläschen?«
    »Nee dankie.« Flip stülpte sich seinen rohledernen Hut wieder auf den Kopf. Dann holte er tief Luft. »Wenn Ihre Tochter das Pferd will, kriegen Sie’s für hundert Pfund.« Einen Augenblick lang verharrte er auf der Stelle, als wartete er darauf, dass die genannte Summe sich vor seinen Augen materialisierte.
    »Ach ja?«, sagte meine Großmutter.
    Flip nickte, und in den folgenden Augenblicken verwandelte der fragile Friede, den er und meine Großmutter zwischen Buren und Briten geschlossen hatten, sich zurück in gegenseitiges Misstrauen. »Auf Wiedersehen, Mrs. Huntingford«, sagte Flip.
    »Gehen Sie mit Gott, Mr. Prinsloo«, antwortete meine Großmutter.
    Meine Großmutter schaute Flip Prinsloo nach, dann schenkte sie sich ein stärkendes Glas Wein ein. Einhundert Pfund überstiegen ihre Möglichkeiten bei Weitem. Kurz darauf erschien ein Anschlag auf dem Mitteilungsbrett im Sportclub und noch einer auf dem Mitteilungsbrett an der Rennbahn. » ZU VERKAUFEN : Violet.« Dann folgte eine Auflistung ihrer Erfolge: »Gewinner dieses und jenes und noch eines Preises«, sagt Mum. »Jeder kannte Violet, eigentlich hätte er sich die Anschläge sparen können.«
    Mum schmollte und sprach wochenlang mit niemandem. »Zum Glück wollte sie keiner kaufen«, sagt Mum. »Sie war zu schwierig. Außerdem verließen die Leute in Scharen das Land, und alle wollten ihre Tiere loswerden. Niemand wollte sich noch Verantwortung aufladen.« Flip Prinsloo fand keinen Käufer für Violet und musste Mum die Stute umsonst überlassen. Sie lächelt: »Da hatte der Mau-Mau-Aufstand doch noch sein Gutes gehabt.«
    Obwohl die meisten ihrer Freunde aufgegeben hatten, dachten meine Großeltern erst einmal nicht daran, Kenia zu verlassen. »Australien kam überhaupt nicht in Frage«, sagt Mum. »Und ich wüsste nicht, welchen Grund meine Eltern gehabt haben sollten, in Großbritannien zu leben. Dad fühlte sich als Kenianer. Das Land war seine Heimat.« Also blieben die Huntingfords und kauften die Hälfte einer Farm in einem langen, flachen Becken etwa fünf Meilen nördlich der Rennbahn. Catherine Angleton, die reiche, beinamputierte englische Witwe, bei der meine Großmutter während des Krieges gewohnt hatte, kaufte die andere Hälfte unter der Bedingung, dass ihr Sohn Martin nach Kenia kommen und dort wohnen konnte.
    »Tante Glug hat mir mal erzählt, Martin hätte gemuffelt und einen Wasserkopf gehabt.«
    »Tatsächlich?«, fragt Mum

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