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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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passiert den Melatenfriedhof und manövriert seinen GTI wenig später in eine Parklücke vor dem Rechtsmedizinischen Institut. Ein Leichenwagen schnurrt die Zufahrt zum Kellergeschoss hinunter, wo die Kühl- und Obduktionsräume sind. Manni entscheidet sich für den offiziellen Eingang und erklimmt die hässlichen Betonstufen. Ungewöhnliche Geräusche dringen an sein Ohr. Ein metallisches Klacken, ein französischer Chanson. Manni erreicht den Platz zwischen den Waschbetonfassaden der beiden Gebäudetrakte des Instituts. In dem mehrere Quadratmeter großen, jahrelang gänzlich kahlen Pflanzkübel proben neuerdings ein paar Bambuspflanzen das Überleben. Dr. Karl-Heinz Müller steht im Kiesbett und bückt sich soeben nach einer Boulekugel. Er trägt hellbraune, nur ganz leicht verknitterte Seidenhosen und ein rosa Poloshirt. In seinem Mundwinkel klemmt eine Zigarette. Manni schlendert zu ihm hinüber und lehnt sich an die sonnenwarme Fassade.
    »Ich dachte, es gibt bessere Bouleplätze in dieser Stadt.«
    »Zigarettenpause.« Müller saugt bekräftigend an seinem Glimmstängel. »Man muss trainieren, wo man kann.«
    »Tja.« Manni schiebt sich ein Fisherman’s in den Mund.
    »Am Sonntag ist ein Turnier in der Südstadt. Wir hätten gute Chancen gehabt, aber nun fällt meine hochverehrte Partnerin aus«, sagt der Rechtsmediziner. »Eine SMS ist das Letzte, was sie mir zugedacht hat.« Müller tritt seine Davidoff aus. »Kanada. Wie geht’s ihr denn, du weißt doch sicher mehr?«
    Die Krieger spielt also Boule mit Karl-Heinz Müller. Ob die beiden was laufen haben? Manni schiebt das Fisherman’smit der Zungenspitze in die Backentasche. »Am Montag ist sie wieder da. Sie sucht eine alte Schulfreundin. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Alle suchen jemanden. Scheint zur schlechten Angewohnheit zu werden dieser Tage. Oder hast du deinen Jungen inzwischen gefunden?«
    »Schön wär’s.« Manni denkt an die blau lackierte Ente, aus deren Faltdach 7 oer-Jahre-Oldies wehen, an Judith Kriegers schwarz lackierte Zehennägel und die Hippielocken. Ziemlich unwahrscheinlich, dass der stets adrette Junggeselle Müller auf so was steht. Falls er überhaupt auf Frauen steht. Reiß dich zusammen, Mann, und fang jetzt bloß nicht wieder mit Miss Cateye an. Manni räuspert sich.
    »Hast du schon feststellen können, woran der Dackel gestorben ist?«
    Der Rechtsmediziner tippt mit dem Fuß auf ein Holzköfferchen, in dem drei unbenutzte Boulekugeln liegen. Er wirft das Schweinchen ins Kiesbett, dann seine erste Kugel. Sie landet hart, dass der Kies nur so spritzt, gut 15 Zentimeter hinter der kleinen Holzkugel. »Du bist dran.« Karl-Heinz Müller grinst Manni auffordernd an.
    Mannis erster Wurf missglückt völlig, der zweite endet im Bambus, der dritte ist schon ziemlich gut, wenige Zentimeter neben dem Schweinchen. Müller wirft ihm einen anerkennenden Blick zu. »Den Bambus lass aber besser stehen. Der ist der ganze Stolz von unserem Chef. Japanischer Steingarten. Demnächst müssen wir wohl auch noch meditieren.« Er geht in die Knie, kneift die Augen zusammen, schwingt den Arm mit der Boulekugel. »Mit Hunden kenne ich mich nicht aus. Ich bin noch nicht mal zuständig. Trotzdem habe ich ein paar Proben in die Toxikologie gegeben.«
    Also wieder einmal warten. »Bis wann …?«
    Die Kugel schnellt aus Müllers Hand, schießt haarscharf über Mannis letzten Wurf hinweg.
    »Merde. So wird das nichts am Sonntag. Ich hab dem Labor ein bisschen Druck gemacht, morgen Nachmittag wissen wir mehr.«
    »Und das abgeschnittene Ohr?«
    »Definitiv nicht die Todesursache.«
    »Kannst du sagen, ob es vor oder nach dem Tod des Hundes abgetrennt wurde?«
    »Vitalitätsbestimmung bei todesnahen Verletzungen.« Karl-Heinz Müller wirft Manni einen listigen Blick zu. »Ein weites Feld.«
    »Ein Zeuge hat einen Hund hysterisch bellen gehört. Könnte unser Dackel gewesen sein, bevor man ihm ein Ohr abgetrennt hat.«
    »Weißt du, wo genau das passiert ist?«
    »Leider nein.«
    »Also wissen wir nicht, wie viel Blut geflossen ist. Das Ohr selbst ist praktisch unbrauchbar. Viel zu angefressen.«
    »Aber jetzt haben wir den Dackel.«
    Der Leichenarzt nimmt seine dritte Kugel, poliert sie mit einem flauschigen Tuch, geht erneut in die Knie, federt, zielt und schafft es diesmal, Mannis besten Wurf mit einem satten, metallischen Klack in den Bambus zu befördern.
    »Na also!« Müller fischt im raschelnden Grün nach den Blindgängern, nun offenbar, ohne

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