Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
die Augen offen zu halten und stakste in Edmunds Richtung. Sein dunkelbrauner Schopf klebte ihm nass im Gesicht, verbarg seine Gesichtszüge, doch Anna hörte, wie er auf die leblose Gestalt einredete. Sie stutzte. Das war nicht Alexander, sondern eine zierliche Gestalt mit kurzen blonden Haaren. Wie war das möglich? Vielleicht hatte der verfluchte Nebel in ihrem Kopf doch mehr durcheinandergebracht, als sie angenommen hatte. Nein, sie war zwar erschöpft und müde, aber zweifelsohne Herr ihrer Sinne, stand mit beiden Beinen mehr oder weniger fest auf dem Boden, in einem veränderten Wald, in einer anderen Welt. Sie wusste genau, wo sie sich befand. Hinter ihr plätscherte das Wasser des Mondsees sanft im Wind. Eine halbe Stunde aus dem Wald hinaus und dann eine weitere halbe Stunde durch die Stadt bis zum Sonneneck. Nach Hause … Mit einem tiefen Seufzer sank sie neben Edmund auf den Boden. Die wenigen Schritte hatten sie furchtbar angestrengt. Wie in aller Welt sollten sie ihre Beine bis zum Laden tragen? Edmund kniete neben ihr, Erins Kopf in seinem Schoß. Er nickte Anna kurz zu, richtete seine Aufmerksamkeit aber sofort wieder auf die Person vor ihm. Sacht tätschelte er ihre Wangen und Anna fühlte sich auf groteske Weise an ihren ersten Grenzübertritt erinnert. Vor gut drei Wochen war es Alexander, der ebenso versucht hatte, sie aufzuwecken.
»So geht das nicht, Ed«, krächzte sie. »Du musst schon ein wenig kräftiger zupacken.«
Sie kniff Erin fest in den Arm, die dieses mit einem mürrischen Stöhnen quittierte, ihre Augen aber immerhin einen Spaltbreit öffnete. Edmund stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Erin, was hast du hier verloren?« Seine Stimme bebte vor Zorn. Doch Naomis kleine Schwester hatte ihre Augen bereits wieder geschlossen. Nun war es Edmund, der ihr energisch auf die Wange schlug. »Wach auf, verdammt noch mal!«
Erins Lider flatterten, doch nun öffnete sie die Augen ganz. »Müde … lass mich schlafen, Ed.«
»Kommt nicht infrage, Kleines. Was zum Teufel machst du hier? Wie bist du hergekommen?«
Über Erins schmales Gesicht huschte ein verschmitztes Grinsen. »Ich wollte auch mal hinüber«, antwortete sie schwach. Das Reden fiel ihr schwer, doch Edmunds Mitleid für die vorwitzige Schwester seiner Freundin hielt sich in Grenzen.
»Was soll das heißen, Erin? Du wolltest auch mal hinüber. Bist du noch ganz bei Trost? Du weißt genau, wie gefährlich das ist. Anna und Alexander hatten keine andere Wahl, doch du …« Edmund ballte seine Hände zu Fäusten, es fiel ihm sichtlich schwer, sich zu beherrschen und so überraschte es Anna nicht, als er Erin unsanft an den Schultern packte, sie aufrichtete und gegen einen Baumstamm lehnte.
»Nicht nur, dass du dein eigenes Leben riskiert hast«, presste er hervor, »du wirst drüben gebraucht, verdammt noch mal. Gerade jetzt.« Sein Gesicht war zorngerötet und nun schlug Erin betreten die Augen nieder, doch Edmund packte sie erneut grob am Arm.
»Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen, Erin. Jetzt wird nicht geschlafen. Wie hast du das nur angestellt?«
Wieder stahl sich ein Grinsen über ihr Gesicht. »War ganz einfach«, erklärte sie bescheiden. »Ich bin euch gefolgt, und als ich nichts mehr sehen konnte, bin ich einfach dorthin, wo der Nebel am dichtesten war. Ich konnte nicht mehr atmen und bin gefallen. Dabei hab ich wohl dein Hosenbein erwischt, Schwager, und schon bin ich hier«, fügte sie nicht ohne Stolz hinzu. Beifall heischend blickte sie von Anna zu Edmund.
Der junge Okeanid schnaubte. »Glückwunsch, Erin, und von wegen Schwager. So weit sind wir noch nicht.«
Erin überhörte den scharfen Ton seiner Stimme. »Wo ist denn Alex?«, fragte sie unbekümmert.
»Er ist nicht hier, Erin«, antwortete Edmund leise. Sein Blick ruhte auf Anna. »Irgendetwas ist schiefgegangen.«
Anna schluckte und biss sich auf die Lippe.
»Wie fühlst du dich?« Edmund betrachtete Anna forschend. »Es geht dir ein wenig besser als beim ersten Mal, vermute ich?« Anna nickte. »Hast du Alexanders Hand losgelassen?«, hakte Edmund nach. So sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, seine Sorge vor den beiden Frauen zu verbergen.
Anna schüttelte entschieden den Kopf. »Nicht ich. Er wollte auf einmal nicht mehr weiter. Es war, als … als würde ihn etwas zurückziehen.«
Edmund runzelte die Stirn. »Ich glaube, er konnte nicht mehr weiter.«
Anna schloss ihre Augen, um sich zu erinnern. »Ich habe versucht, ihn
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