Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
zu ziehen, doch plötzlich hat er meine Hand losgelassen. Was ist da nur geschehen?«
Edmund strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. »Ich weiß es nicht. Alexander ist bestimmt nicht freiwillig zurückgeblieben.«
Erin blickte betreten zu Boden. »Hoffentlich hat Kyra …«, sagte sie, doch Edmund unterbrach sie barsch. »Daran wollen wir erst gar nicht denken. Noah ist schließlich auch noch da, vergesst das nicht.«
Er hielt Erin seine Hand hin und nickte ihr aufmunternd zu. »Jetzt sollten wir uns auf den Weg machen. Meinst du, du kannst laufen, Erin?«
Die junge Frau biss die Zähne zusammen und ergriff seine Hand. »Das kommt auf einen Versuch an, oder?«
Sie ließ sich von Edmund hochziehen, doch Anna betrachtete die zierliche Frau skeptisch. Wenn sie sich nur annähernd fühlte wie sie damals, würde sie in den nächsten Stunden niemals die Kraft haben, auch nur einige Schritte zu tun, geschweige denn den Weg bis zum Sonneneck zu bewältigen. Und tatsächlich, kaum hatte Edmund Erin in die Höhe gezogen, da wurde ihr Gesicht aschfahl und sie sank leblos in sich zusammen.
»Tja, das war wohl nichts. Da habe ich die Antwort auf meine Frage.« Edmund ließ sie vorsichtig zu Boden gleiten. »Verdammt, Erin.«
Anna stemmte sich erneut hoch und legte ihm sanft die Hand auf den Arm. »Fluchen nutzt jetzt auch nichts. Erin wird in den nächsten Stunden nie und nimmer auch nur einige Schritte laufen können. Damit müssen wir uns wohl abfinden, denke ich.«
Anna seufzte. Auch sie begann abzubauen, sie spürte es genau. Prüfend lugte sie durch das grüne Blätterdach, wenigstens regnete es nicht. Sie fühlte die wärmenden Strahlen der Sonne in ihrem Gesicht.
»Ich befürchte, du musst sie tragen. Es ist nicht allzu weit bis zu meinem Haus, eine knappe Stunde vielleicht, schaffst du das?«
Edmund grinste schief. »Ob ich das schaffe? Ich denke schon. Mir macht der Übergang zwischen hier und dort mittlerweile nichts mehr aus. Die Frage ist, schaffst du das, Anna?« Er betrachtete sie prüfend. »Ein wenig blass um die Nase bist du schon. Eigentlich bin ich überrascht, wie sicher du auf den Beinen stehst.«
»Keine Sorge«, log sie. »Es geht schon.«
Sie drehte dem See den Rücken zu und lief mit unsicheren Schritten voran. Edmund folgte ihr schweigend, Erin in seinen Armen. Anna war dankbar für die Stille. Sie brauchte dringend einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen. Vorsichtig sah sie sich um. Gott sei Dank, niemand war zu sehen. Sie hatte sich vor ihrem Aufbruch schweren Herzens von ihrer Lederhose getrennt und ihre alten Kleider angezogen. Dennoch, mit ihrer abgetragenen Jeans und dem blassroten Leinenhemd hatte sie schon früher teils neugierige, teils vorwurfsvolle Blicke auf sich gezogen. Doch Edmund und vor allem Erin, die beide mit Lederhosen bekleidet waren, Erins war zu allem Überfluss mit Fransen und Perlen verziert, passten nun wirklich nicht in das triste Bild hier. Nachdem der Krieg vorüber war, genoss sie es, sich von der Menge zu unterscheiden, forderte es geradezu heraus, aufzufallen. Doch jetzt … Auffallen war das Letzte, was sie im Augenblick wollte. Nur so schnell wie möglich nach Hause. Was auch immer das bedeutete. Für Erin würde sie schon passende Kleidung finden und Edmund könnte in eine von Peters abgetragenen Hosen passen. Außerdem war Naomis Freund nicht zum ersten Mal hier und wusste, was er tat. Ob er hier vielleicht sogar Freunde hatte? Vielleicht wussten mehr Menschen um die Existenz Silvanubis’, als sie angenommen hatte. Kannte er ihre Stadt? Vielleicht war sie ihm sogar schon einmal begegnet. In Annas Kopf begann es zu kreisen. Das Bild, das sie sich so schön zurechtgelegt hatte, passte nicht mehr auf die Leinwand, die sie sich dafür ausgesucht hatte, war größer, unübersichtlicher geworden.
Anna spähte durch das verzweigte Labyrinth von Bäumen und Sträuchern und atmete auf. »Hier entlang, Ed.«
Edmund nickte stumm und verlagerte Erins Gewicht ein wenig, als Anna plötzlich stehen blieb.
»Vielleicht … vielleicht sollten wir noch ein wenig warten. Nur ein paar Minuten.« Es kam ihr nicht richtig vor, einfach so zu verschwinden. Wer weiß, vielleicht war Alexander lediglich aufgehalten worden und tauchte jeden Moment auf. Mit einem Mal wurde ihr furchtbar schwer ums Herz. Verdammt noch mal, Alex! Anna holte tief Luft, es war zum Verzweifeln, war er bei ihr, brachte er sie an den Rand des Wahnsinns und nun, da er auf mysteriöse Art
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