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Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)

Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)

Titel: Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Greco
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Jahre hier waren ein Albtraum.
    »Warum, Peter, warum nur bist du hier geblieben, als alles so furchtbar war? Der Krieg, die Zerstörung, die Angst … Du hättest zurückgehen können.« Sie hielt inne. Der Hals war mit einem Mal wie zugeschnürt. »Du hättest uns mitnehmen können.« In Annas Kopf drehte sich alles. Peter hätte sie retten können. Sie hätten alle nicht hier sein müssen, nicht, als der Krieg begann, nicht, als die Bomben fielen. Peter wandte sich ab, stand auf, öffnete das Fenster und ließ die frische Morgenluft hineinströmen.
    »Ach, Anna.« Er kehrte ihr den Rücken zu, sprach in den heranbrechenden Tag hinein. »Es vergeht keine Stunde, keine Minute, in der ich nicht darüber nachgrüble. Ich hätte euch alle hinüberbringen können.«
    Seine Stimme bebte, als er sich umdrehte. Anna erschrak, Tränen rannen über das faltendurchfurchte Gesicht.
    »Wenn du es genau wissen willst, dein Vater und ich haben oft über die Möglichkeit gesprochen. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, aber manchmal kann man nicht davonlaufen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden hierzubleiben. Es gab so viel zu tun. Dir mag es merkwürdig vorkommen, besonders, weil du nun weißt, wie schön und unberührt es drüben ist.«
    Er hustete und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    »Doch glaub mir, wir waren nicht unglücklich, trotz der schweren Zeit, des Krieges, des Hungers und des Elends. Dein Vater nicht, deine Mutter nicht und ich auch nicht. Unser Heim war hier.«
    Anna stand auf, gesellte sich zu ihm und sog die herbe Morgenluft ein, die Decke fest um sich geschlungen. Ihr war kalt, furchtbar kalt. »Aber …«
    Peter sah sie an. »Es gab kein Aber, Anna. Wir, dein Vater, deine Mutter und ich haben uns bewusst entschieden. Und glaub mir, auch Silvanubis birgt Gefahren.«
    Anna nickte. Das wusste sie.
    »Wer kann schon sagen, ob es uns drüben besser ergangen wäre? Vielleicht«, er hielt kurz inne, streckte seine Hand aus, und als sie die Geste nicht erwiderte, zog er sie enttäuscht zurück, »vielleicht war es ihre Zeit. Hier oder dort. Wer weiß das schon. Vielleicht wäre sie dort ebenso vorüber gewesen.«
    Anna schloss die Augen. »Vielleicht, Peter. Vielleicht aber auch nicht.«
    Sie wollte nicht darüber nachdenken. Eigentlich wollte sie überhaupt nicht mehr denken. Schlafen, vergessen … Wortlos schlich sie zurück zu ihrem Bett, rollte sich zusammen wie ein Igel im Winterschlaf und zog sich die Decke über den Kopf. Sie hörte, wie Peter das Fenster schloss und aus dem Zimmer schlurfte. Erst als er die Tür leise hinter sich zuzog, erlaubte sie sich, stumm zu weinen. Sie war so furchtbar durcheinander. Zu Hause, wo zum Teufel war das? Sie wusste es nicht. Ihre Eltern fehlten ihr so sehr. Sie hätten es ihr sagen müssen, hätten ihr die Entscheidung nicht abnehmen dürfen. Sie wäre sicher nicht hiergeblieben. Sie hätte einfach gern die Wahl gehabt. Annas Hände ballten sich unter der kratzigen Decke zusammen. Sie war wütend. Auf das Schicksal, auf Peter, auf ihre Eltern und auf Alexander. Niemals in ihrem Leben hatte sie sich so einsam gefühlt, so verflucht allein. Als endlich keine Tränen mehr fließen wollten, schlief sie ein.
     
    Nur zu gern ließ sie den Schleier auf sich hinabsinken. Es war kein tiefer Schlaf. Ab und an sah sie in die Augen des alten Mannes, sah Verzweiflung darin aufkeimen. Er sollte sie in Ruhe lassen, sie sollten sie alle in Ruhe lassen. Sie hatte Kopfschmerzen und ihr war heiß.
    Der Phönix zog wieder seine Runden, die Sirenen dröhnten, sie war zu Hause. Papa wollte sie fortschicken, ein Holzauto holen, doch sie wollte nicht gehen. Dieses Mal würde sie nicht gehen, dieses Mal würde sie zu Hause bleiben.
    Peter streckte ihr die Hand entgegen.
    Lass mich in Ruhe, du hattest deine Chance und hast sie vertan .
    Sie schlug nach der sehnigen Hand.
    Lass mich in Ruhe!
    Das Heulen wurde lauter, die Asche fiel auf das Dach, doch bevor es zusammenfiel, schob Papa sie zur Tür hinaus. Mama lächelte.
    »Noch nicht, Anna, noch nicht.«
    »Ich entscheide das selbst!«
    »Das ist nicht deine Entscheidung, mein Kind.«
    Die sanfte Stimme ihrer Mutter wurde leiser. »Noch nicht, Anna, noch nicht …« Dann verstummte ihre Mutter und das Haus fiel hinter Anna in sich zusammen, die Kerze flackerte im Wind, doch das Licht erlosch nicht.
     
    Und dann hob sich der Schleier. Da war sie wieder, die knorrige Hand des alten Mannes, und dieses Mal griff sie

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