Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
sie überhaupt etwas gegessen hatte. Vier Kartoffeln, das sollte reichen. Sie stöhnte, teilen musste sie wohl. Es knackte wieder im Unterholz, dieses Mal lauter als zuvor. Anna glitt die Kartoffel aus der Hand. Das Glühwürmchen konnte es nicht sein, es war noch nicht wieder sichtbar. Ihr Mund war mit einem Mal staubtrocken. Wo zum Teufel blieb ihr ritterlicher Beschützer, wenn sie ihn brauchte? Anna umklammerte einen besonders dicken Ast des Feuerholzstapels. Sie tauchte ihn in die rote Glut und wartete. Irgendetwas näherte sich im Unterholz. Mühsam stand sie auf. Die Erschöpfung nagte an ihren Knochen. Wenn sie sich jetzt verteidigen musste, hatte jeder Angreifer leichtes Spiel. Etwas rauschte an ihr vorbei, sie stolperte und warf sich zur Seite, um nicht im Feuer zu landen. Funken sprühten, als ihr der dicke Ast entglitt und zischend in die Flammen fiel.
Sie spürte etwas Warmes, Feuchtes in ihrem Nacken. Panisch drehte sie sich um. »Du meine Güte. Oskar, du Monster.«
Schwanzwedelnd stand er über ihr. Unglaublich, dass sie sich jemals über die Anwesenheit dieses schwarzen Ungetüms freuen würde. Der riesige Hund setzte sich neben sie und legte den Kopf schief.
»Wo kommst du denn her, du Zotteltier? Junge, hast du mir einen Schrecken eingejagt.« Sie kraulte ihn hinter dem Ohr, während er sich ergeben zu ihren Füßen auf den Rücken warf und auf die Fortsetzung der Streicheleinheiten wartete. Anna grinste schwach. »Bekommst du eigentlich immer, was du willst?« Sie kratzte das weiche Fell des massigen Brustkorbs und Oskar schloss zufrieden die Augen.
Anna griff erneut nach den Kartoffeln und warf sie entschieden ins Feuer. Allmählich atmete sie ruhiger und ließ schließlich ihre Hand auf Oskars zottligem Pelz ruhen. Anna spähte ins Unterholz, und tatsächlich, in der Ferne tauchte ein Licht auf, tanzte auf und ab und plötzlich spitzte Oskar die Ohren. Mit einem Satz war er auf den Beinen und gab Töne, ähnlich einem mächtigen Donnergrollen, von sich. Anna schmunzelte. Das musste Alexander sein. Er würde sich wundern. Noch stand Oskar neben ihr, doch Anna spürte, dass er ungeduldig auf einen Befehl wartete. Auch er schien sein Herrchen erkannt zu haben, denn sein buschiger Schwanz wedelte kräftig in ihrem Gesicht herum. Hin- und hergerissen zwischen dem Pflichtgefühl, seine wiedergefundene Freundin zu beschützen und dem Drang, sein verlorenes Herrchen zu begrüßen, zuckten die Muskeln des kräftigen Tieres. Anna kämpfte sich hoch und klapste ihm ermunternd auf den Hintern.
»Nun lauf schon. Lass ihn nicht länger warten.«
Und schon war das schwarze Ungetüm auf und davon. Alexanders Fackel, zur Hälfte heruntergebrannt, flog flackernd ins Gebüsch und Hund samt Herrchen gingen zu Boden. Schließlich tauchte Alexanders Kopf in dem dichten Geäst auf, während ihm der Hund das Gesicht unaufhörlich mit der langen Zunge ableckte. Sie schüttelte sich und schmunzelte. Oskar wich nicht von Alexanders Seite, doch kurz bevor sie Anna erreichten, wischte sich Alexander hastig über die Augen und für einen Moment sah er furchtbar jung und verletzlich aus. Sie tat ihm den Gefallen, den flüchtigen Einblick in sein unverschlossenes Innenleben zu übersehen und winkte den beiden zu.
»Oskar ist wieder da!« Freudestrahlend reichte er ihr die volle Feldflasche. Jetzt erst spürte sie den Durst in ihrer Kehle. Dankbar nahm sie das Gefäß entgegen und setzte es vorsichtig an ihre trockenen Lippen. Was zum Kuckuck war das? Sie wünschte, es wäre nicht so dunkel und sie könnte den Inhalt der Flasche genauer betrachten. Für einfaches Wasser war es einfach zu köstlich. Schlürfend ließ sie die Flüssigkeit über ihre Zunge gleiten und schluckte langsam.
»Ach was. Dein Hund hat mich fast zu Tode erschreckt. Du hast doch gesagt, du holst Wasser aus einem Bach, oder? Das schmeckt aber nicht wie normales Wasser.« Sie roch neugierig an der Feldflasche, hielt plötzlich inne und hustete verlegen. Hatte sie ihn gerade geduzt?
»Ähm, ich meine, Sie … Sie wollten doch zum Bach.« Mist, wenn er es nicht bereits zuvor bemerkt hatte, dann spätestens jetzt.
»Du ist völlig in Ordnung, Anna.« Er reichte ihr die Hand. »Alexander, für Freunde auch schon mal Alex.«
Na prima. Sie hatte sich zwar vorgenommen, freundlicher zu sein, aber für Vertraulichkeiten war noch lange nicht der richtige Zeitpunkt. Anna seufzte und grinste zerknirscht.
»Also gut, Alexander. Was habe ich denn nun gerade
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