Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
enttäuscht, ihn hinter einigen Bäumen verschwinden zu sehen. »Wie hast du das gemacht?« Er starrte Noah verblüfft an.
»Das war Luna. Ich habe sie gerufen.«
Alexander schüttelte den Kopf. »Gerufen?«
»Noah ruft sie in seinen Gedanken«, sagte Erin. »Nur ganz wenige können das«, erklärte sie stolz, als hätte sie diese Tat vollbracht. »Siehst du, Anna. Sie tun dir nichts.«
Mit Mühe gelang ihr ein Lächeln. »Wenn du meinst.«
»Dort vorn ist der Stall und dahinter die Koppel. Schaffst du es bis dahin, Anna?« Noah drehte sich um und wies in die angezeigte Richtung.
Anna steckte der Schreck noch in den Gliedern und die Pferdewiese, die hinter dem Stall auftauchte, schien ihr endlos weit entfernt. Dennoch machte sie eine wegwerfende Handbewegung und umfasste Erins angewinkelten Arm ein wenig fester als nötig. »Ich melde mich, wenn es nicht mehr geht. Danke. Und Luna? Kommt sie noch mal zurück?« Sie sah sich um.
»Nur wenn ich sie rufe.« Noah verzog belustigt den Mund. Anna seufzte auf, setzte den Weg an Erins Arm fort und konzentrierte sich auf die näher rückende Weide. Es war ganz einfach, sie musste schließlich nur einen Fuß vor den anderen setzen und es wäre doch gelacht, wenn sie ihrem Körper nicht ihren Willen aufzwingen konnte. Sie musste sich einfach ein wenig mehr auf Erin stützen.
»Okay, Anna.« Erin blieb abrupt stehen und griff auch mit der anderen Hand zu. »Ich glaube, das reicht für heute. Die Frage, ob du es noch schaffst, erspare ich mir. Ich habe schließlich Augen im Kopf. Du wirst mit jedem Schritt ein wenig blasser um die Nase. Noah!« Erins donnernde Stimme ließ die beiden Männer zusammenfahren. »Einer von euch hilft Anna jetzt!«
Annas Beine schienen sich in flüssiges Wachs zu verwandeln. Mit einem Schritt war Noah an ihrer Seite und hob sie ohne viel Federlesen hoch. Unglaublich, wie schlapp sie war. Nicht einmal der ewige Hunger zu Hause hatte das geschafft. Fast eine Woche war sie hier, doch anstatt zu Kräften zu kommen, schien sie immer schwächer zu werden. »Das wird schon, Anna. Glaub mir. Du brauchst nicht enttäuscht zu sein. Von jetzt an wird es dir jeden Tag ein wenig besser gehen. In ein, zwei Wochen macht dir eine kleine Wanderung schon nichts mehr aus.«
»Wenn du meinst«, murmelte sie.
Sie umrundeten die riesige Scheune und nun erstreckte sich vor ihnen eine lang gezogene Weide, umschlossen von einem hölzernen, weiß getünchten Zaun. Erin lief voran und öffnete das breite Gatter, das quietschend aufschwang.
Anna sah sich um. Die Weide war leer, die Pferde standen alle noch im Stall. Noah folgte seiner Schwester und ließ Anna vorsichtig auf eine der drei nebeneinander aufgereihten Bänke gleiten. Die Weide war ein wenig abschüssig und auch von hier hatte man einen Ausblick, der es einem erlaubte, tief hinunter ins Tal zu sehen. Das hüglige Land erstreckte sich beinahe bis zum Horizont. Anna kniff die Augen zusammen, um besser in die Ferne sehen zu können. Täuschte sie sich, oder schimmerte es am Horizont türkisfarben?
»Ist das ein Meer oder ein See?«, fragte Alexander staunend. Auch er schien noch nicht hier gewesen zu sein.
Erin trat neben ihn und strahlte. »Es ist ein See, Alexander. Der Sappirus See. Er ist riesig, erstreckt sich weit ins Landesinnere. Vielleicht zeigen wir euch die Gegend mal. Es ist schön dort, aber nicht ganz ungefährlich.«
Anna runzelte die Stirn. Wie konnte es auch anders sein? Auf den Ausflug verzichtete sie gern. Plötzlich fuhr sie zusammen. Noah hatte zwei Finger in den Mund gesteckt und ließ einen lang gezogenen, schrillen Pfiff erklingen.
»Nico hat uns bestimmt schon gesehen und wartet bereits brennend darauf, hier vorbeischauen zu können.«
Keine Minute später tauchte Nicos blonder Schopf hinter der Scheune auf. Lässig kam er zur Koppel geschlendert. Zu Annas Überraschung trabte Oskar an seiner Seite. Der schwarze Hund lief schwanzwedelnd auf Alexander zu, stupste ihn mit der Nase ans Bein und kehrte dann zu Nico zurück. Noah grinste.
»Na Brüderchen, du hast wohl einen neuen Freund gefunden. Ist doch in Ordnung, Alex, oder?«
Alexander lachte. »Aber klar. Er wird mich schon finden, wenn er mich vermisst.«
»Nico, darf ich dir Anna vorstellen? Sie ist Alexanders Freundin«, fuhr Noah fort, was Alexander zu einem Augenverdrehen veranlasste, »und hat deine Schwester …«
»… gerettet«, vollendete der schlaksige Teenager den Satz und hielt Anna seine schmutzige Hand
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