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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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würde bestimmt noch mehr trinken. Doch im Augenblick war er zufrieden, aus einem seiner Lieblingsfenster auf die City von London zu blicken. Es gab hier mehr Häuser denn je, doch immer noch genügend stille Parks und schmückende Gärten. Hier in Lincoln’s Inn, einem der Zentren der englischen Rechtspflege, fanden sich die Adressen vieler berühmter Anwaltskanzleien, die einer Welt von Macht und Geld dienten.
    Dieses Haus war einst die Londoner Residenz eines berühmten Generals gewesen. Ein unrühmliches Fieber hatte ihn in Westindien dahingerafft. Jetzt beherbergte es eine Anwaltskanzlei, die immer noch seinen Familiennamen trug und in der Lafargue der Seniorpartner war.
    Lässig beobachtete er Kutschen auf ihrem Weg in die Fleet Street. Es war ein schöner Tag. Ein klarer blauer Himmel wölbte sich über Türmen und beeindruckenden Gebäuden. Aus dem entfernteren Fenster würde er St. Paul’s oder wenigstens den Turm der Kathedrale sehen können. Der Blick gefiel ihm immer wieder. In seiner Welt schien er das Zentrum von London zu sein.
    Er dachte an den draußen wartenden Besuch. Seine Angestellten hatten viel mit ihr zu tun gehabt, doch persönlich würde er selber heute zum ersten Mal die betreffende Dame kennenlernen: Lady Catherine Somervell. Als er seiner Frau von der Verabredung erzählt hatte, hatte sie heftig, ja ärgerlich reagiert, als habe er sie persönlich beleidigt.
    Er lächelte. Wie sollte sie das auch je begreifen?
    Jetzt würde er endlich die berüchtigte Vicomtesse in Person kennenlernen. Sie war eine der Frauen, über die heutzutage am meisten geredet wurde. Wenn auch nur ein Zehntel der Gerüchte stimmte, würde er sehr bald ihre Stärken und Schwächen erkennen. Es hieß, sie kümmere sich um all das gar nicht, weder um den Skandal noch um die heimliche Nachrede.
    Daß ihr letzter Mann in einem Duell auf mysteriöse Weise getötet worden war, hatte man bequemerweise vergessen. Er lächelte breit.
Bis auf mich.
    Verärgert drehte er sich um, als die Tür einen Spalt breit geöffnet wurde und sein Kanzleivorsteher hereinschaute.
    »Was ist, Spicer?« Der Kanzleivorsteher war ein Mann, der von seiner Tätigkeit so besessen war, daß er nicht die geringste Kleinigkeit in den Papieren und Dokumenten übersah, die durch seine Hände gingen. Außerdem zeichnete er sich durch Langweiligkeit aus.
    Spicer sagte: »Lady Somervell bricht gerade auf, Sir Wilfred!« Er sprach völlig unbewegt. Als irgendein Geisteskranker den Premierminister Spencer Perceval letztes Jahr in den Gängen des Unterhauses ermordet hatte, hatte Spicer das auf die gleiche Art gemeldet – als handle es sich um eine Bemerkung zum Wetter.
    »Was heißt das, aufbrechen?« fuhr Lafargue ihn an.
    »Die Dame ist mit mir verabredet.«
    Spicer blieb unbewegt. »Das war vor einer halben Stunde, Sir Wilfred.«
    Lafargue nahm sich mit Mühe zusammen. Es war seine Art, Klienten warten zu lassen – egal wie hoch oder niedrig ihre soziale Stellung war.
    Doch dies fing nicht gut an. »Führen Sie sie rein«, knurrte er.
    Er saß hinter seinem großen Tisch und schaute auf die andere Tür. Alles war da, wo es sein sollte, unmittelbar vor seinem Tisch stand ein Stuhl und dahinter ein beeindruckendes Regal mit ledergebundenen Büchern vom Fußboden bis zur Decke. Alles sehr solide, verläßlich, wie die City – oder wie eine Bank.
    Er erhob sich langsam, als die Tür sich öffnete und Lady Catherine Somervell eintrat. Der Raum war viel zu groß für ein Büro, doch Lafargue liebte die Größe aus einem einzigen Grund. Besucher wurden oft eingeschüchtert, wenn sie durch die ganze Länge zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch gehen mußten. Doch zum ersten Mal in all den Jahren war es anders.
    Sie war größer als erwartet und schritt ohne Zögern oder Unsicherheit. Ihre dunklen Augen ließen sein Gesicht dabei nie los. Sie war ganz in Grün gekleidet und trug einen breitrandigen Strohhut mit passendem Band. Lafargue war intelligent genug zu erkennen, daß sein übliches Vorgehen, Klienten warten zu lassen, eine Frau wie diese niemals beeindrucken würde.
    »Bitte, nehmen Sie Platz, Lady Somervell.« Er sah, wie elegant sie sich auf den Stuhl setzte, selbstsicher, doch wachsam. Vielleicht sogar abwehrend. »Ich bedaure die Verspätung. Im letzten Augenblick gab es noch einige Probleme.«
    Ihre dunklen Augen sahen kurz auf die leere Kaffeetasse.
    »Ich verstehe!«
    Lafargue setzte sich und strich über einige Papiere auf seinem Tisch. Es fiel

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