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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Klippen geküßt. Er hatte ihr wilde Rosen mit seinem Messer geschnitten. Wie jung sie war und wie wach!
    Er sah sich die Reihe der Uhren an. Es war keine Eitelkeit, er brauchte eine neue, weil seine eigene verschwunden war. Sie war ihm gestohlen worden, oder er hatte sie verloren, als er verwundet auf die
U.S.S. Unity
übergesetzt wurde. Man hätte ihn besser an Bord zum Sterben zurücklassen sollen.
    Der Ladeninhaber verstand sein Schweigen als Desinteresse. »Dies ist ein sehr gutes Stück, Sir. Ein gut lesbares Zifferblatt, Duplex-Hemmung, eine der berühmten von James McCabe. 1806 gefertigt, aber noch immer absolut perfekt.«
    Adam nahm sie in die Hand. Er fragte sich, wer sie wohl vor ihm besessen haben mochte. Die meisten dieser Uhren hier hatten bestimmt mal Marine- oder Heeresoffizieren gehört. Oder ihren Witwen… Und er mußte mit wachsender Verbitterung an Keens Interesse an David St. Clairs Tochter Gilia denken. Zuerst hatte er es für Mitleid mit der jungen Frau gehalten; vielleicht verglich Keen sie sogar mit Zenoria, die er von einem Transportschiff mit Verbannten gerettet hatte. Sie hatte eine Peitschennarbe auf dem Rücken, als ewige grausame Erinnerung daran. Zeichen des Satans hatte sie sie genannt. Er war Keen gegenüber unfair, wahrscheinlich vor allem aus eigenem Schuldgefühl heraus, das ihn nie verließ. Zenoria war seine Geliebte gewesen, aus welchen Gründen auch immer.
    Plötzlich fragte er: »Und was ist mit der da?«
    Der Mann lächelte ermunternd und zustimmend. »Sie haben einen sicheren Geschmack, Sir, so wie Sie auch ein tapferer Kapitän sind.«
    An so etwas war Adam gewöhnt. Hier in Halifax gab es keine Geheimnisse – trotz des vielen Militärs und der relativen Nähe des Gegners. Jeder kannte jeden, das Schiff, von dem man kam, sein Ziel und wahrscheinlich noch viel mehr. Mit einiger Besorgnis hatte er das mit Keen besprochen, der jedoch nur meinte: »Ich glaube, wir bewerten das zu hoch, Adam!«
    Eine schwer zu beschreibende Kühle herrschte zwischen ihnen. Lag es an Adams Drohung, auf die
Reaper
zu feuern, Geiseln hin, Geiseln her, oder war es seine Einbildung, die aus diesem beharrlichen Schuldgefühl herrührte? Er nahm die Uhr in die Hand. Sie war schwer. Das Gehäuse war nach jahrelangem Gebrauch glatt und glänzend. Der Mann sagte: »Ein seltenes Stück, Kapitän. Beachten Sie die Zylinder-Hemmung, das feine, übersichtliche Zifferblatt.« Er seufzte. »Mudge und Dutton, 1770. Ein gutes Stück, älter als Sie selbst, sage ich mal!«
    Adam sah sich den Deckel genau an. Die Gravur zeigte auch Gebrauchsspuren, doch sie war in dem staubigen Sonnenlicht im Laden klar und lebendig – eine Meermaid.
    »Solche Handwerkskunst findet man heute nicht mehr häufig, fürchte ich«, fügte der Mann hinzu.
    Adam hielt sie ans Ohr. Er erinnerte sich an ihr Gesicht, als er in Plymouth ihren Handschuh aufgehoben und ihn ihr zurückgegeben hatte. Ihre Hand lag auf seinem Arm, als sie durch den Garten des Hafenadmirals gegangen waren. Es war das letzte Mal, daß er sie gesehen hatte.
    »Hat diese Uhr eine Geschichte?«
    Der kleine Mann polierte seine Brille. »Ich bekam sie vor sehr langer Zeit. Von einem seefahrenden Herren wie Sie. Ich glaube, er brauchte Geld. Ich könnte es noch nachschlagen.«
    »Nein.« Adam schloß den Deckel sorgsam. »Ich werde sie nehmen.«
    »Sie ist sehr teuer, aber…« Er lächelte, froh darüber, daß die Uhr einen neuen passenden Besitzer gefunden hatte.
    »Ich weiß, daß Sie als Kommandant einer Fregatte sehr erfolgreich sind, Sir. Es ist nur recht und billig, daß Sie sie jetzt besitzen.« Er wartete, doch es kam kein Lächeln zurück. »Ich sollte sie säubern, bevor Sie sie nehmen. Ich kann sie mit einem Boten auf die
Valkyrie
schicken lassen, wenn Sie das wollen. Ich habe doch recht, daß Sie nicht vor übermorgen segeln?«
    Adam sah weg. Keen hatte ihm diesen Zeitpunkt genannt, gerade als er eben an Land ging!
    »Danke, aber ich nehme sie jetzt mit.« Er ließ sie in seine Tasche gleiten, und wieder sah er ihr Gesicht. Die Leute in Zennor behaupteten immer noch steif und fest, daß die Kirche, in der sie und Keen geheiratet hatten, von einer Meermaid besucht wurde.
    Die Glocke an der Tür klingelte, und der Ladenbesitzer sah sich zum zweiten Besucher um. Zu ihm kamen alle möglichen Leute. Halifax war der bedeutendste Seehafen und gewiß der sicherste, weil sich hier die Wege des Krieges kreuzten. Die Armee verteidigte es, die Marine schützte und

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