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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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gesucht … Dummköpfe seid ihr, Dummköpfe! Habt euch einen rechten Anführer ausgesucht …! Sogar Räuber ist er nie gewesen!«
    Dann stockte ihr Lachen, und nun blickte Aliyat schon voller Furcht um sich. Ringsum verständnislos gerunzelte Stirnen, streng zusammengezogene Brauen, in den Augen Unglaube und ein glimmender, langsam aufflammender Zorn.
    »Was soll das?«, sagte schließlich Gorcha. »Und wer hat Sibra in Band gesetzt …? Etwa dein Bastard auf dem Postschiff?«
    Die Menge regte sich, begann halblaut durcheinanderzusprechen.
    »Erstickt sie mit dem Schleier und fertig!«, ertönte schneidend eine böse Stimme.
    »Dich werd ich gleich ersticken!« Ein erschrockener Bass. »Du willst wohl auch bis zum Hals in den Sand?«
    Alle schauten Ar-Scharlachi an. Er wandte sich schweigend um, biss die Zähne zusammen und machte einen Schritt auf den Samum zu. Das rosa-goldene Heck erzitterte plötzlich und begann zu verschwimmen. Dann folgte der Kampf gegen die nahende Ohnmacht. Vielleicht riefen sie ihm etwas nach. Er hörte nichts. Er ging durch ein anschwellendes Klingen, zog mit letzter Kraft die Füße aus dem Sand, der zäh war wie Teer. Alles hatte keinen Sinn mehr, es blieb nur eins: den Samum zu erreichen, ohne zu stürzen. Den Samum erreichen …
    Wie er an Bord gekommen war, vermochte Ar-Scharlachi später nicht zu sagen. Entweder über die Strickleiter oder durch die Heckluke. Als er zu sich kam, stellte er fest, dass er in seiner Kajüte stand, entsetzt die halb offene Tür des Schränkchens betrachtend, und dass das Tuch auf seinem Kopf nass war vor Schweiß.
    Was hatte er getan? Sie würden sie tatsächlich eingraben! Ar-Scharlachi zwang sich, sich zur Tür zu wenden, und diese Anstrengung gab ihm den Rest. Die glänzenden Stahlriegel wogten ihm vor den Augen, und mit einem Mal lag Ar-Scharlachi am Boden. Das Muster des kimirischen Teppichs direkt neben seiner Wange gewann allmählich Form, gleichsam widerwillig.
    Wie lange hatte er bewusstlos dagelegen? Wohl nicht lange – der Kajütenboden bewegte sich nicht. Und wie hätte der Samum auch ohne Befehl zurückfahren können? Also war es noch nicht zu spät … Ar-Scharlachi stand mit Mühe auf, atmete flach und schnell. Irgendwie schaffte er es aufs Bett, setzte sich, tastete nach einem verschlossenen Krug. Der Wein floss durch die Kehle wie Wasser.
    Dann tauchte in seiner Erinnerung das tote Gesicht des Richters auf, und der Hass brach wieder über ihn herein. Ar-Maura … Diese Kobra hat Ar-Maura ermordet … Der verdammte Riybra! Ich hätte damals lieber selbst dieses Gift trinken sollen …
    Aitscha klopfte an die Tür.
    »Und?«, fragte Ar-Scharlachi heiser und voll Furcht. Entweder kam es ihm so vor, oder Aitscha schaute ihn tatsächlich vorwurfsvoll an.
    »Sie bittet, dass du zu ihr kommst«, sagte er und wich Ar-Scharlachis Blick aus.
    Ar-Scharlachi leckte sich die trockenen Lippen. »Wozu?«
    »Ich weiß nicht … Sie sagt, sie will dir etwas sehr Wichtiges sagen …«
    Die Bestien! Sie hatten sie tatsächlich bis zum Hals im Sand eingegraben. Noch dazu mit dem Gesicht zum Wind. Er hatte es befohlen … Was er nicht alles befohlen hatte!
    Ar-Scharlachi setzte vorsichtig die Füße, um ihr keinen Sand in die Augen wehen zu lassen, und näherte sich der Eingegrabenen. Als sie die Spitzen der weichen Schuhe vor sich sah, hob Aliyat mit Mühe den Kopf.
    »Nimm mir den Schleier ab«, befahl sie und lehnte das von Sandkörnchen bestreute Gesicht zurück, so weit es ging.
    Ar-Scharlachi hockte sich hin. Die Enden des Schleiers verschwanden im Sand, darum schob er den Stoff einfach nach unten. Das braun gebrannte Gesicht Aliyats wurde sichtbar – reglos, wie aus Bronze gegossen.
    »Ja?«, sagte er, ohne die eigene Stimme zu hören.
    Sie schwieg. Die dunklen, weit offenen Augen waren auf ihn gerichtet – sei es bittend, sei es hasserfüllt.
    »Was wolltest du mir sagen?«
    »Näher«, verlangte sie abgehackt, und Ar-Scharlachi beugte sich vor. Er spürte – noch ein Augenblick, und er würde aufheulen und beginnen, diese verdammte Düne mit seinen eigenen Händen aufzureißen.
    »Ich liebe dich«, sagte sie heiser. »Das ist alles … Und jetzt geh, wenn du kannst …«

29
    Der Gebieter des Palmenwegs
    S ie wird mich ins Verderben stürzen … ins Verderben …« Ar-Scharlachi fand keinen Schlaf, wälzte sich auf den über dem Teppich ausgebreiteten Decken und murmelte, murmelte …
    Glaube ich, dass sie mich liebt? Aber nein, nicht doch! Ich

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