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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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und ballte die riesigen Fäuste. »Der Nachfahre von Räubern! Und nicht mit einer Frau fertiggeworden?«
    »Hast du gesehen, was für eine Frau das ist?«, entgegnete Ar-Scharlachi hilflos. »Du sagst doch selbst: eine Kobra!«
    Die schmale Tür wurde geöffnet, und in den Gerichtshof trat unsicheren Schrittes und ernstlich beunruhigt der Anführer der ersten Wache. Da er dienstfrei hatte, war er, wie der Sekretär es treffend ausgedrückt hatte, gerade »äh-hm«, doch er wurde zusehends nüchterner.
    »Wie konnte es geschehen, dass der sein Urteil erwartende Scharlach und der verurteilte Ar-Scharlachi sich in derselben Grube befanden?«, erkundigte sich der Richter mit knarrender Stimme.
    »Wie – in derselben?«, antwortete die Nacktfresse verwirrt. »Wieso denn in derselben?«
    Da er keine Antwort erhielt, schaute er sich um. Sein Blick fiel auf Ar-Scharlachi. »Das ist doch …« Der Wächter stockte, blinzelte und wandte sich abrupt dem Richter zu. »Und … der? Der andere?«
    »Vor Sonnenaufgang aus der Grube entlassen«, teilte der ehrwürdige Ar-Maura trocken mit.
    Der Anführer der Wache erbleichte. Jetzt war er nüchtern wie ein Bergquell. »Den Hafen schließen …!«, brachte er stotternd hervor.
    »Ist schon geschlossen«, sagte der Richter.
    Die Nacktfresse sackte in sich zusammen. Ar-Scharlachi schielte zu dem jungen Sekretär hinüber und sah, dass der kurz vor einer Ohnmacht war. Die Farbe war aus seinen Wangen gewichen, und der junge Mann stand jetzt da, an das durchbrochene Geländer der Treppe geklammert, und schaute entsetzt den Richter an.
    Ach ja, erinnerte sich Ar-Scharlachi, er war es ja, der die mich betreffenden Anweisungen gegeben hat. Ar-Maura hatte ihm gesagt: »Sieh zu, dass er nicht in eine Gemeinschaftsgrube kommt und dass sie ihm einen Teppich hinunterwerfen …« Tja … Da saß der Junge in der Klemme … Wenn’s nur das wäre! Alle saßen in der Klemme.
    »Was sollen wir denn tun?«, fragte der Anführer der ersten Wache hilflos.
    »Weniger Palmwein trinken«, beschied ihn der Richter und nickte den Wächtern zu. »Diesen könnt ihr losbinden.«
    Sie lösten dem Gefangenen eilfertig die Fesseln und traten einen Schritt zurück.
    »Und wie soll ich jetzt den Schatten bis Sonnenuntergang verlassen?«, wollte Ar-Scharlachi ärgerlich wissen, während er sich die Handgelenke massierte. »Der Hafen ist ja geschlossen …«
    »Du wirst ihn nicht verlassen«, antwortete der ehrwürdige Ar-Maura finster. »Erst einmal wirst du eingesperrt, und dann sehen wir weiter …«
    Die schmale Tür mit dem vergitterten Fensterchen wurde geschlossen, das raffinierte Stahlschloss klickte. Aliyat saß zusammengekauert und bedachte ihn mit wütend funkelnden Blicken durch den Spalt zwischen den weißen Falten von Kopftuch und Kittel hindurch.
    »Du! Kobra!«, sagte Ar-Scharlachi drohend. »Wenn du dich noch einmal auf mich stürzt, erwürge ich dich! Ist das klar?«
    Er erntete nur verächtliches Schweigen.
    »Vor allem – was hat es dir denn genützt?«, fügte er unzufrie den hinzu. »Der Richter und ich kennen uns seit einer Ewigkeit. Der Sekretär hat mich auch erkannt, und der Anführer der Wache … Du kannst davon ausgehen, dass sie deinen Scharlach kriegen. Den Hafen haben sie schon geschlossen …«
    Aus der Ecke ertönte ein böses Lachen. Ar-Scharlachi setzte sich auf die kühlen Steinplatten und zog die Füße unter den Körper. Jetzt lagen zwischen ihm und Aliyat genau drei Schritt. Eine durchaus sichere Entfernung.
    Ja, das war eine Geschichte … Da hatten sie eine Treibjagd auf Scharlach veranstaltet und ihm eine ganze Karawane nachgeschickt, um ihn dann auf so dumme Weise entwischen zu lassen! Der Richter war jetzt nicht zu beneiden. Und der Anführer der Wache auch nicht, ganz zu schweigen von dem Sekretär … Obwohl … was gehen die dich an, ehrwürdiger Ar-Scharlachi? Sei froh, dass du selber davongekommen bist!
    »Wieso bist du davongekommen?«, erkundigte sich Aliyat giftig, und Ar-Scharlachi zuckte zusammen. Den letzten Satz hatte er also laut gedacht. Schlecht … Wenn das so weiterging, würde er bald unablässig quasseln wie der Alte von der Galeere …
    »Davongekommen ist er!«, fuhr Aliyat schadenfroh fort. »Von wegen! Zusammen haben wir ihm zur Flucht verholfen – zusammen werden wir auch dafür einstehen!«
    »Was?!«, fragte Ar-Scharlachi mit schrecklichem Flüstern und stand langsam auf. Aliyat sprang auf, drückte sich mit dem Rücken in die Ecke. Doch ihr

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