Unter dem Räubermond
oder ein Räuber! Mit den einen wie mit den anderen mache ich kurzen Prozess!«
Der Karawanenführer machte eine drohende Pause. Dann sagte er trocken und spöttisch: »Wenn sie vor der Fahrt keine Ordnung schaffen konnten, dann schaffen wir sie eben unterwegs …«
Das betraf sonderbarerweise auch Ar-Scharlachi. Der ehrwürdige Chaïlsa befahl, ihn ins Deckhaus zu bringen und schon heute neben dem Steuerrad festzuketten, obwohl es bis zu den weißen Sanden der Tschubarra noch gut eine Tagesreise war. Bei günstigem Wind, versteht sich.
Während er vor dem breiten Sehschlitz mit angehobener Blende stand, betrachtete Ar-Scharlachi unter zusammengezogenen Brauen hervor die rötliche, vor Glast wogende Ebene, und hinter ihm schwiegen neben dem riesigen Steuerrad die beiden Rudergänger in weißen, sonnengebleichten Kitteln und mit Schleiern vor den dunklen, grobknochigen Gesichtern.
Schließlich fragte der rechts hinter ihm leise und gleichgültig: »Du bist Scharlach?«
Ar-Scharlachi warf einen Blick über die Schulter zurück. Der Bursche blickte ungerührt ins Weite, als hätte nicht er gefragt. Die kräftigen Hände ruhten an den Griffen des Steuerrads.
»Ar-Scharlachi«, berichtigte der Gefragte und wandte sich wieder dem Sehschlitz zu.
Der Rudergänger zögerte. »Na, uns ist das egal … Wie haben sie dich erwischt?«
Ar-Scharlachi zuckte unbestimmt mit einer Schulter.
»Es heißt, sie haben eine ganze Karawane losgeschickt?«, erkundigte sich neugierig der Zweite.
Wieder schwieg sich Ar-Scharlachi aus. Er spürte, wie die Rudergänger hinter ihm enttäuschte Blicke wechselten.
»Ja so, natürlich …«, murmelte der Erste. »Wer entkommt schon einer Karawane! Aber mit einem richtigen, schnell laufenden Schiff wie diesem …«
»Achtung, ein Felsbrocken!«, unterbrach ihn Ar-Scharlachi. »Genau vor uns. Neben dem rechten Rad durchlassen!«
Tatsächlich näherten sie sich einem kantigen rot-schwarzen Stein von soliden Ausmaßen. Ohne zu überlegen, drehten die Matrosen das Steuerrad. Die geteerten Taue knarrten, während sie das vordere Rad lenkten. Der Samum wankte und änderte leicht den Kurs.
Sogleich schaute der junge, nacktfressige Treiber ins Deckhaus, der irgendwie dem Sekretär des ehrwürdigen Ar-Maura ähnelte. Es war schwer zu verstehen, für welche Verdienste das Einige Harwa diesem Grünschnabel eines der besten Kriegs schiffe anvertraut hatte. Wohl mit Protektion …
»Wer hat den Befehl gegeben?«
»Da lag ein Felsbrocken …«, erklärte Ar-Scharlachi.
Der junge Mann runzelte bedrohlich die Stirn, dann räusperte er sich, blickte sich verlegen um und fragte mit tonloser Stimme: »Hör mal … Du bist also dieser Scharlach?«
7
Der Mond ist schuld an allem
U nd?«, fragte Aliyat gierig, als sie Ar-Scharlachi aus dem Deckhaus brachten und wieder anketteten. »Hast du geredet?«
»Mit wem?«
Über die dunklen, wild zusammengekniffenen Augen huschte Verärgerung. »Mit den Leuten natürlich, mit wem denn sonst!«
»Wovon sprichst du?«
Aliyat bedachte ihn mit einem wütenden Blick und stellte keine Fragen mehr. Das Deck schwankte, die Taljen knarrten, in der Takelage sang der Wind. Die Karawane schwenkte immer schärfer nach Süden, zu den weißen Sanden der Tschubarra.
Nach dem Mittagessen war dann Aliyat an der Reihe, im Deckhaus zu stehen. Allein geblieben, ging Ar-Scharlachi in seiner gedrückten Stimmung zum Sehschlitz. Er schaute lange auf die entgegenströmenden, ruckelnden Felder von rötlichem Schotter und überlegte träge, warum wohl alle Matrosen auf dem Samum die Gesichter verschleierten. Die Offiziere waren durchweg Nacktfressen, die Matrosen aber … Es sah ganz so aus, als habe der ehrwürdige Tamsaa (schließlich hatte er die Karawane zur Fahrt gerüstet!) absichtlich die gesamte Mannschaft aus Bewohnern des Palmenweges zusammengestellt … Aber nein, das konnte nicht sein …! Und trotzdem trugen alle Schleier. War das jetzt bei denen in den Vorbergen Mode geworden …? Oder war es einfach ein versteckter Protest? In Harwa, das war deutlich zu sehen, standen die Dinge nicht zum Besten …
Aliyat wurde erstaunlich bald zurückgebracht. Es erwies sich, dass der Karawanenführer endlich gemerkt hatte, dass der zweite Räuber eine Frau war und daher nichts im Deckhaus zu suchen hatte. Als sie zurückkam, war Aliyat aufgeregt und ungewöhnlich gesprächig.
»Sie hassen den Karawanenführer«, teilte sie wie beiläufig mit.
»Ja, also, ich denke …«, stimmte
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