Unter dem Safranmond
zwitscherte Tante Elizabeth fröhlich, als Maya kurz darauf im Salon das Teegedeck und den Kuchenteller vor ihr auf dem niedrigen Tisch abstellte. Dann strahlte sie aus dem rotgolden gepolsterten Sessel heraus Ralph und Maya an. »Jetzt dürft ihr wieder gehen.« Als die beiden sich ratlos ansahen, fügte Tante Elizabeth resolut hinzu: »Ich bin alt genug, um allein essen zu können, und noch nicht so alt, dass ich dabei Hilfe bräuchte!« Sie schnappte sich den Teller und teilte mit der Kuchengabel einen großzügigen Bissen von ihrem Tortenstück ab. »An eurer Stelle würde ich übrigens die Glastür da nehmen. Von dort aus geht es ein Stück die Längsseite des Hauses entlang und wieder in den Garten.« Mit einer fortwinkenden Bewegung ihres geziert abgespreizten Zeigefingers entließ sie die beiden. Und Tante Elizabeths Miene, einer Katze ähnelnd, die in einen Bottich mit Sahne gefallen war, konnte ebenso gut von der Zitronencreme herrühren wie davon, dass ihr ausgeklügelter Plan geglückt war.
Auf dieser Seite lag das Haus noch teilweise im winterkalten Schatten, unerreicht von den zarten Sonnenstrahlen, und Maya wickelte ihren Schal enger um sich, als sie heraustraten, während Ralph die Tür mit den quadratisch unterteilten Scheiben hinter ihnen wieder schloss. »Ihre Tante ist großartig«, lachte er. Es war dieses leichte, warme Lachen, das Maya an ihm so liebte. »Jede Familie sollte eine Tante Elizabeth haben!«
»Ja, sie ist einzigartig«, stimmte Maya ihm mit einem Kopfnicken zu. »Ich sehe sie leider viel zu selten. Meine Mutter mag sie nicht besonders und lässt mich nie zu ihr nach Bath fahren.«
»Maya«, begann Ralph und nahm sie sachte beim Arm. Die Art, wie er sie ansah, wie ein leises, nervöses Lächeln seine Lippen umspielte, ließ Mayas Herz schneller schlagen. »Ich hoffe, Sie halten mich jetzt weder für einen Draufgänger noch für jemanden ohne Manieren. Wären die Umstände andere, so würde ich mit meinem Anliegen noch warten – aber angesichts des bevorstehenden Krieges …« Er holte tief Luft, und Maya spürte, wie seine Finger auf ihrem Arm zitterten. »Ich bin entschlossen, morgen Ihren Herrn Vater um Ihre Hand zu bitten. Das heißt … nur, wenn es Ihnen recht … wenn Sie das auch wollen.«
Sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen, als Tränen darin aufschienen, Tränen überwältigender Freude. »Natürlich will ich«, stieß sie zwischen einem Auflachen und einem Schluchzen hervor. Auch Ralph lachte auf, erleichtert, und so, als könnte er sein Glück nicht fassen. Seine Hand strich an ihrem Arm herab, und ihrer beider Finger verschränkten sich in einem wortlosen Versprechen. Er neigte sich vor und küsste sie, und mit jedem seiner Küsse verblasste die Erinnerung an diejenigen Richards und gleichzeitig auch die Erinnerung daran, dass es schon einmal einen Mann gegeben hatte, der am nächsten Tag ihren Vater auf ein Gespräch hatte bitten wollen und es dann doch nicht getan hatte. Ralph schürte die Glut neu, die Richard Francis Burton in Maya zurückgelassen hatte, entfachte sie zu einem Feuer, das ruhiger und beständiger brannte als das alte und mindestens ebenso kräftig. »Maya«, raunte er heiser, als er sich von ihr löste, um Atem zu schöpfen, und mit dem Fingerknöchel sachte über ihre Wange fuhr, »mehr als einen Offiziersbungalow in den Bergen werde ich dir auf Dauer aber nicht bieten können. Du wirst die Frau eines Soldaten sein, und …«
»Schhh«, unterbrach sie ihn und legte den Finger an seine Lippen. »Ich weiß. Mehr werde ich auch nicht brauchen.« Sie schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich mit geschlossenen Augen an ihn, badete in der Kaskade von Sonnenlicht, die nur sie beide übergoss und die nicht vom Himmel kam.
In diesem Moment wäre sie Ralph überallhin gefolgt, ob nach Indien in einen Bungalow, in einen afrikanischen Kral oder gleich bis an das Ende der Welt. Doch weil es der Nachmittag von Tante Doras Geburtstag in Summertown war, musste sie sich einstweilen damit begnügen, in sittsamer Entfernung zu Ralph – zwei Fuß und zehn Inches, wie es die Etikette vorschrieb – in den Garten zurückzukehren und so zu tun, als hätte es diesen berauschenden Moment gerade nie gegeben.
Als das Sonnenlicht schwand und den Hauch von Frühling mit sich nahm, strömten die Gäste ins Haus und stürzten sich auf das abendliche Buffet im Speisezimmer. Als hätte man sie den ganzen Tag über hungern lassen, machten sie sich über Lachs,
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