Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
weggekommen. Aber so war’s nun mal. Sie sind dann aufs Amt marschiert und, na klar, da standen auch schon die Sipo-Fritzen bereitund haben sie einkassiert. Und dann hieß es, wir hätten die mit Pistolen ausgestattet.«
»Das ist doch kein Beweis, dass dieser Hintze …«
»Nee, aber dass er als Einziger gleich wieder entlassen wurde, wohl schon … eine halbe Stunde später spaziert er schon durch die Gegend und nimmt die Beine in die Hand, als er mich bemerkt.«
»Und mit dem hatte Marinus van der Lubbe Kontakt?«
Beide nickten.
»Und der Hintze war einer, der zum Zündeln aufrief. Läuten da bei dir nicht die Glocken?«, warf Walter ein.
»Rinus war ein bisschen … Lenin hätte gesagt, von der Kinderkrankheit infiziert«, sagte Karl.
»Revolutionäre Ungeduld«, warf Walter gemächlich ein.
»Er war enttäuscht. Er wollte die Massen aufpeitschen, aber da machte niemand mit. Ist ja auch klar: Irgendein Holländer schwingt große Reden, was geht uns das an? Für strategische Überlegungen haben wir schließlich eine Parteiführung. Das wollte der nicht kapieren, dass da auch geplant werden muss. Also war er unzufrieden, das hat er uns auch unter die Nase gerieben, er war ja oft genug hier. Jedenfalls wollte er zurück nach Holland. Das war am selben Tag, als der Hintze die Leute aufs Wohlfahrtsamt hetzte.«
»Und da war van der Lubbe auch dabei?«
»Nee, nee. Sein Freund, bei dem er übernachtet hat. Der war hier bei der Versammlung vor der Aktion dabei. Das wissen wir. Er hat den Holländer gesucht, der Hintze auch, aber er war nirgendwo zu finden. Was komisch war: Da fand mal was statt, was er wollte, und er schleicht sich davon. Jedenfalls war er an dem Tag unsichtbar.«
»In einer anderen Gegend soll er agitiert haben«, sagte Walter.
»Gut, davon haben wir später gehört. Aber hier hat er überall herumerzählt, er wolle nach Holland zurück. Einen Tag später, das wissen wir jetzt erst, hat er aber versucht, das Wohlfahrtsamt anzuzünden. Und wir wissen ja, wer immer so gern vom Zündeln geredet hat.«
»Hintze«, stellte Klara fest.
»Genau«, sagte Walter. »Der suchte geradezu nach einem Kandidaten, den er darauf abrichten konnte. Den gleichen Floh hat er dem Zachow und dem Bienge ins Ohr gesetzt, das sind auch so zwei Heißsporne.«
»Vor allem interessant, dass der Holländer sich auf einmal verabschiedet, und am nächsten Tag losgeht, um drei öffentliche Gebäude abzufackeln.«
»Hat ja anscheinend nicht viel gebracht«, sagte Klara, riss ein Streichholz an und schaute fasziniert zu, wie die Flamme das dünne, kurze Hölzchen auffraß. Der dumme Gedanke von der verbrannten Leidenschaft schoss ihr durch den Kopf, das Bild einer schwarzen Katze mit weißen Schenkeln …
»Und zwei Tage später die Aktion im Reichstag«, fuhr Karl fort. »Als hätte er vorher geübt.«
»Man könnte auch fragen, ob sich da einer vielleicht erst beweisen musste.«
»Vor wem denn?«, fragte Klara.
»Den Anstiftern.«
»Wer?«
»Jetzt kannst du’s dir doch denken.«
»Dann hätte er ja die Seite gewechselt.«
»Sieh mal, wir haben auch geforscht, nach der großen Sache und weil er doch hier bekannt war – aber wo er abgeblieben ist, nachdem er sich von den Starkers verabschiedet hat, konnte uns keiner sagen. Zwei Tage war er vom Erdboden verschwunden, dann legt er gleich dreimal los.«
»Quatschte immer von Massenaktion, und dann macht er so was ganz allein«, brummte Walter.
»Ja eben. Und wieso ging er nicht, wenn er schon das Rathaus und das Schloss gezündelt hatte, gleich weiter zum Reichstag? Der lag doch praktisch auf seinem Weg. Aber da war wieder ein Tag dazwischen. Und an dem hat ihn hier keiner gesehen. Alle denken, der ist nach Holland, und dann steht er auf einmal im brennenden Reichstag und behauptet, mit ein paar Kohlenanzündern sei ihm dieses Kunststück gelungen, ganz allein, ohne Unterstützung …«
»… und weiß nichts von den Fackeln und den Benzolspuren, die die Feuerwehr gefunden hat.«
»Wenn er den Brandbeschleuniger bei den drei vorherigen Bränden benutzt hätte, dann wäre das aber anders ausgegangen …«
»… stellt sich also die Frage, wer ihm den Tipp gegeben hat …«
»… oder zur Hand gegangen ist …«
»Hintze!«
Das war nun aber kein Ausruf der Empörung, sondern des Erstaunens, denn Schwindel-Hintze trat, nachdem die Tür aufgeflogen war, in den Raum, hinter ihm zwei SA-Männer und zwei Polizisten mit Tschakos.
Walter beugte sich zu Karl und
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