Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
zischte ihm ins Ohr: »Ich dachte, der ist erledigt worden?«
Karls Mundwinkel zuckten, aber er brachte nichts heraus. Er war jetzt bleich, seine Hände zitterten. Hintzes hysterisches Grinsen wurde von mehreren frischen Schnittwunden im Gesicht entstellt, sein rechter Arm war bandagiert und hing in einer Schlinge. Er trat beiseite und ließ die Polizisten vorbei.
Die beiden Beamten stapften in eine Ecke und der eine las mit lauter Stimme abgehackte Sätze von einem Zettel ab: »Gaststätte Schlaffke, Verkehrslokal der Kommunistischen Partei, bis auf Weiteres wegen staatsfeindlicher Umtriebe geschlossen! Personalien aufnehmen! Verdächtige Gewalttäter abführen! Beschlagnahmung von aufrührerischen Schriften! Alle Kommunisten sind zu sistieren!«
Sie kamen auch durch den Hintereingang. Ein ganzer SA-Trupp drängte herein, Gesichter wie gierige Hunde, wer keinen Knüppel oder kein Eisenrohr hatte, nahm das Koppel herunter, an dem schwere Karabinerhaken hingen.
»Befehl ausführen!«, brüllte der Anführer, und dann fiel die braune Horde über die Gäste her.
Die beiden Polizisten traten ans Fenster und schauten nach draußen.
Schwindel-Hintze deutete auf Klaras Gesprächspartner. Vier SA-Männer sprangen auf die beiden zu und schlugen auf sie ein, bis sie von den Stühlen fielen und unter dem Tisch Schutz suchten.
Klara sprang entsetzt auf und prallte gegen einen der Uniformierten am Fenster. Der verlangte seelenruhig und ohne sich von dem brutalen Tohuwabohu um sie herum ablenken zu lassen ihren Ausweis.
Sie zeigte die Pressekarte und behauptete, ein Interview für ihre Zeitung durchgeführt zu haben.
Der Beamte führte sie zwischen den prügelnden Braunhemden hindurch. Schmerzensschreie, Stöhnen, zusammenbrechende Männer, Platzwunden, Blut spritzte aus Nasen und Mündern, rhythmisches Einprügeln auf regungslos Daliegende, dumpfe Schlaggeräusche von harten Stöcken auf weiches Fleisch. Sie taumelte gegen die Frau, die sie vorhin schon bemerkt hatte, die nicht in das Bild dieser Arbeiterkneipe gepasst hatte, und entschuldigte sich. Ein Hauch von Parfüm ging von ihr aus, in der Hand hielt sie einen mit Federn verzierten, lächerlich wirkenden Hut. Netzhandschuhe, bei dieser Kälte.
Die Frau warf ihr einen so ungemein abfälligen Blick zu, dass Klara kurz glaubte, sie müssten sich kennen, denn eine derartige Feindseligkeit konnte nur persönlich begründet sein. Aber da wurden sie auch schon auseinandergerissen. SA-Männer machten lachend anzügliche Bemerkungen über die andere, einer legte ihr sogar die Hand unters Kinn. Klara wurde von dem Polizisten zur Seite gezogen, um eine Hausecke gedrängt und mit bedauerndem Blick – als wollte er sich für den hinterhältigen Überfall entschuldigen – verabschiedet.
Sie ging eilig davon, rutschte mehrmals auf dem vereisten Gehweg aus und bemerkte irgendwann, dass dieses hässliche, nach Atem ringende Keuchen, das sie die ganze Zeit hörte, von ihr selbst stammte.
Mehr als ein Grog war nötig, um sie wieder halbwegs ins Gleichgewicht zu bringen, nachdem Rinke ihr einen üblen Streich gespielt hatte. In Montur eines SS-Standartenführershatte er ihr die Tür der Werkstatt von »Otto« geöffnet, mit herrischer Geste und in zackigem Ton grüßend. Beinahe wäre sie zusammengebrochen. Rinke entschuldigte sich wortreich, nahm die zitternde Klara in die Arme, um sie zu beruhigen, und wurde von ihr zurückgestoßen: »Nicht in dieser Uniform, du Schwein!« Kurz darauf, bei dem mühsamen Versuch, sich eine Zigarette anzuzünden: »Was soll das überhaupt?«
»Ich war auf Arbeit unterwegs. Was denkst du denn? Fasching ist vorbei.«
Klara schaute ihn finster an. »Was ist das denn für eine Arbeit?«
»Du weißt doch, was ich tue. Ich war auskundschaften.« Er wandte sich ab, ihre stechenden, auf schon boshafte Art ungläubigen Blicke gefielen ihm nicht.
»Was ist denn los mit dir?«, fragte er.
»SA-Überfall auf ein Lokal«, stieß sie hektisch hervor, »mit Polizeischutz sozusagen … alle brutal zusammengeschlagen … mich hätten sie beinahe geschnappt … Presseausweis hat funktioniert … die ganzen blutigen Köpfe … die schlagen dauernd zu … das ist die Barbarei …«
»SA ist überall«, sagte Rinke, während er die Uniformjacke gegen eine Wollweste eintauschte. »Die haben Oberwasser. Passt mir auch nicht in den Kram, wäre mir lieber, wenn es da draußen etwas ruhiger zuginge.«
Sie stierte ihn an. Im Blick der Vorwurf: Du denkst immer nur
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