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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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… wir wissen nur von der Sache im Wohlfahrtsamt hier in Neukölln. Und ehrlich gesagt, hatten wir immer den Eindruck, dass er da einem Provokateur aufgesessen ist.« Starker sah seine Freundin an. »Oder? Darüber haben wir doch gesprochen.«
    Grete nickte. »Wir haben immer versucht, ihn zu warnen. Rinus war ja manchmal viel zu gutgläubig.«
    »Es heißt auch, er sei halb blind gewesen.«
    »Ein Arbeitsunfall. Deshalb war er ja auf die Unterstützung vom Amt angewiesen, obwohl er ein kräftiger gesunder Kerl war«, sagte Starker.
    »Es war kein Unfall, ein dummer Jungenstreich«, ergänzte Grete. »Vielleicht auch einfach nur ein Missgeschick. Das passierte auf der Baustelle. Kollegen wollten sich einen Spaß machen. Sie stülpten ihm einen Sack über den Kopf. Da war aber noch Kalk drin, und der hat ihm die Augen verätzt. Seitdem sieht er nicht mehr gut. Tatsächlich kann er alles nur durch einen Schleier erkennen. Hell und dunkel, das funktioniert auch nicht richtig. Manchmal hat man das gemerkt, dass er mehr aufs Gehör achtet, draußen auf der Straße. Oder er hat schon mal beim Abwasch danebengegriffen und einiges zerdeppert.«
    »Man merkt es ihm nicht an, dass es die Augen sind, wenn er komisch guckt oder sich eigenartig bewegt. Viele dachten, er wäre schwer von Begriff, also ein bisschen dumm. Aber das war ein Trugschluss. Rinus hat viel gelesen, nicht nur Politisches, auch philosophische Bücher. Der weiß viel, und manchmal hat er versucht, was Kompliziertes zu erklären. Das klang dann meistens eigenartig, weil er im Kopf seine holländischen Gedanken ins Deutsche übersetzte und dieHolländer ganz anders reden … also es war schwer, ihm zu folgen.«
    »Er hat mich mal völlig verwirrt, als er mir den Unterschied zwischen Sein und Wahrheit oder dem unterschiedlichen Sein bei Menschen verschiedener Klassen und ihren unterschiedlichen Wahrheiten zu erklären versuchte«, erinnerte sich Grete.
    »Das Sein bestimmt das Bewusstsein«, warf Klara ein.
    »Nee, komplizierter. Man sieht die Wahrheit immer nach dem jeweiligen eigenen Sein, aber das kann sich verändern, und die Wahrheit wird dann relativ, weil sie zwischen dem vorherigen Sein und dem späteren verschieden ist oder so ähnlich.« Grete lachte verlegen. »Aber der Gipfel war, dass er nach solchen wirren Reden auf einmal erklärte, darauf käme es überhaupt nicht an, denn wir Proletarier müssten uns sowieso auf ein hartes Sein einstellen. Und ob es nun gut oder schlecht sei, das Sein sei nun mal immer das Sein und so gesehen unausweichlich, während die Wahrheit in den Ereignissen liege, und das sei etwas ganz anderes … mit solchem Gerede konnte er einen wirklich besoffen machen.«
    »Am Anfang war die Tat«, hörte Klara sich reden, »was sonst, Taten schaffen Ereignisse, Ereignisse schaffen das Sein, das Sein das Bewusstsein, das Bewusstsein neue Taten, die Wahrheit ist der historische Prozess …«
    Starker starrte sie verblüfft an.
    Grete lachte: »Sie reden ja wie er. Sind Sie mit ihm verwandt?«
    Wer weiß, dachte Klara und schüttelte den Kopf: »Nein, bestimmt nicht.«
    Die Küchentür ging auf und Frau Starker trat ein, noch immer das Strickzeug in der Hand, bleich im Gesicht.
    »Rinus war immer sehr gut zu allen, auch zu uns. Ihr sollt nicht schlecht über ihn reden. Jemand hat ihm übel mitgespielt.« Sie bückte sich, zog die Ofentür auf und stocherte mit dem Schürhaken darin herum. »Er war ein netter Junge, auch wenn er dumme Ideen im Kopf hatte. Nun hat er sich reinlegen lassen, weil er so vertrauensselig war.« Sie legte denSchürhaken beiseite und griff einen Packen Zeitungen, knüllte sie zusammen und schob sie in den Ofen.
    »He!«, rief Starker, »die müssen aber noch länger reichen.« Frau Starker schob noch mehr hinterher.
    »Was soll denn das!«, rief Grete.
    Frau Starker machte weiter und schimpfte dabei vor sich hin: »In welchem Wolkenkuckucksheim lebt ihr eigentlich? Das muss alles weg. Die Braunhemden sind schon wieder bei den Nachbarn und bald sind sie hier. Mit Zeitungen und Büchern müssen wir heizen, das gibt Zunder, und mir ist sowieso so kalt, wenn ich zu lange allein in meinem Zimmer hocken muss. Ihr lasst mich versauern. Wenn Rinus noch hier wäre, der hätte sich um mich gekümmert, aber den habt ihr ja rausgeekelt.«
    »Das stimmt doch gar nicht!«, empörte sich Grete.
    Klara sah Starker fragend an.
    »Es gab halt Meinungsverschiedenheiten. Bei unserer letzten Diskussion bin ich ein bisschen laut

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