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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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Rinke Freunde in diesem Milieu hat, in dem alle aufopferungsvoll für eine freie und gerechte Zukunft kämpfen, was er angeblich ablehnt?
    Alfred deutete auf einen Drehstuhl, Klara setzte sich, er selbst lehnte sich gegen den Arbeitstisch.
    »War van der Lubbe hier?«, fragte sie.
    Alfred zog an seiner dünnen Zigarette und nickte. »Sicher, das war sein Ziel. Er hatte den Auftrag … übernommen …«
    »Welchen Auftrag?«
    »Er war Kurier zwischen den holländischen Genossen von der Gruppe Internationale Kommunisten – GIC kürzen die sich in Holland ab – und uns hier. Jedenfalls behauptete erdas … wir hatten eigentlich einen anderen erwartet. Einen Freund von van der Lubbe, aber der hatte anscheinend ihn geschickt.«
    »Warum?«
    »Austausch von Schriften, die übersetzt und publiziert werden sollten. Aber van der Lubbe brachte gar nichts mit.«
    »Was denn für Schriften?«
    »Artikel für die nächste Ausgabe unseres Theorie-Organs Der Proletarier . Die hatten wir erwartet, die erste Nummer war ja gerade fertig geworden. Wir waren etwas irritiert, denn van der Lubbe redete weniger von der GIC als von den anderen, der Spartacus-Gruppe, die kennen wir auch, aber die stehen uns nicht so nah.«
    »Spartacus-Gruppe?«
    »Die sind sehr radikal, da haben wir gewisse Probleme.«
    Man kann also noch radikaler sein als Rätekommunisten und Anarchosyndikalisten, wunderte sich Klara und fragte: »Wieso?«
    »Die holländischen Spartakisten predigen die direkte Aktion als einzig wahres Mittel des Klassenkampfes. Im Grunde lehnen sie jede fest gefügte Organisationsform ab und suchen ihr Heil in der spontanen Rebellion gegen jede Form von Herrschaft und Unterdrückung, egal von wo sie kommt, aber das würde ja auch eine Diktatur oder eine Vorherrschaft des Proletariats ausschließen und wäre damit zum Scheitern verurteilt, denn die Machtfrage muss man stellen, jedenfalls bis sie entschieden ist.«
    »Warum lehnen sie Organisationen ab?«
    Alfred grinste schief: »Lenin würde hier den Begriff ›kleinbürgerlicher Individualismus‹ ins Spiel bringen oder ›linksradikale Kinderkrankheit‹ …«
    Damit hat er doch euch gemeint, dachte Klara.
    »… ich sehe das ein bisschen anders. Hat vielleicht was mit der Sehnsucht nach revolutionärer Reinheit zu tun … ein quasi-religiöses Element, das den Proletarier zum übermenschlichen Helden stilisiert, der eine heilige Handlung vollzieht, indem er alles, was Unterdrückung bedeutet, zerschmettert… und es ablehnt, die Methoden zu verwenden, die der Gegner benutzt.«
    »So eine Art unbefleckte Empfängnis des kommunistischen Paradieses, das gleichzeitig das jüngste Gericht darstellt …« »Und die Aktion als heiligste Tat der Revolte … so ungefähr vielleicht.«
    Da stehen wir nun, dachte Klara, und musste an ihren einstigen Weggefährten Kurt denken und dessen ketzerische Kabarett-Sottisen: »Über uns wölbt sich die Kirche des historischen Determinismus, und wenn du es nicht dialektisch denkst, dann landest du schnurstracks in den Armen von Hegel, der dich an den Papst weiterreicht … ach, du mein lieber Karl Marx, wo flattert denn jetzt der Herr Engels … im Beichtstuhl der Geschichte ist noch Platz!« oder so ähnlich, aber was hat das bitte mit dem Holländer zu tun?
    »… aber nur«, hörte Klara ihren Gesprächspartner weiterreden, »wenn der Rebell von der Masse der kämpfenden Arbeiter getragen wird …«
    »… seinen Segen bekommt, welche andere Rechtfertigung könnte er haben?«, warf Klara ein.
    »In diesem Sinne wäre Marinus gescheitert, denn die Arbeiter sind ihm nicht in den Aufstand gefolgt«, sagte Alfred. »Hatte er deshalb Unrecht? Immerhin hat er etwas gewagt.« Alfred schüttelte entschieden den Kopf. »Er hat das Gegenteil erreicht, die Bewegung geschwächt. Nehmen wir einmal an, es war eine Rebellion, dann hat er versagt.«
    »Nehmen wir einmal an?«
    »Was hat er denn hier in Berlin noch gemacht, außer uns mit seinen radikalen Reden auf die Nerven zu gehen? Wir wissen es nicht. Es heißt, er habe Kontakte zu SA-Leuten gehabt.«
    »Hat er das?«
    »Keine Ahnung, Spitzel sind überall. SA-Männer erst recht. Allerdings hat er durchaus seltsame Gedanken vertreten. Es gäbe sozialrevolutionäre Tendenzen in der SA, meinte er, und die müsse man nutzen, wenn der Aufstand kommt, weil dann die Nazi-Organisation von innen zerstört würde.«
    »Immerhin hat er sich viele Gedanken gemacht.«
    »Ja, aber am Ende lief es immer wieder auf das Gleiche

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