Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
Vom Netzwerk:
hinaus: Die ganze Gesellschaft muss kaputt geschlagen werden. Das war seiner Weisheit letzter Schluss. Es gibt Leute, die kommen von einfachen Gedanken zu komplizierten Ergebnissen, also vom Hundertsten ins Tausendste, wie man so sagt. Bei van der Lubbe war es genau umgekehrt, der hatte sehr komplizierte Gedankengänge, der war belesen, der kannte theoretische Schriften, aber am Ende lief es immer darauf hinaus: kaputt schlagen.«
    »Oder anzünden.«
    »Das auch. Aber hier haben wir natürlich noch ein technisches Problem.« Alfred ging zum Ofen und griff nach einem Holzscheit. »Sieh mal, das ist sogar Eiche. Jetzt zieh deinen Mantel aus, steck ihn in Brand und versuch, diesen Holzstapel hier damit anzuzünden.«
    »Quatsch«, sagte Klara.
    »Wieso Quatsch?«
    »Weil ich mir doch nicht den eigenen Mantel abbrennen will.«
    »Er hat das gemacht. Den Mantel angezündet und versucht, das aus Eichenholz gefertigte Mobiliar im Plenarsaal mit dem brennenden Stoff anzuzünden.« Alfred nahm die glimmende Zigarette aus dem Mund und hielt sie an den Holzscheit. »So hat er es der Polizei erzählt, und die hat es an die Presse weitergegeben. Erst Kohlenanzünder, und als die verbraucht waren, brennende Kleider.« Er warf das Holzstück auf den Stapel zurück. »Das kannst du vergessen. Das ist ein Märchen.«
    »Und das heißt?«
    »Er war nicht allein. Überall in Berlin laufen Spitzel und Provokateure herum, wenn die sich van der Lubbe ausgeguckt haben … Ich weiß, dass einige Leute aus unserem Umkreis, die mit ihm zu tun hatten, jetzt verschwunden sind oder uns meiden, was weiß ich, wie es sich genau verhält.«
    Klara schaute ihn ratlos an.
    »Das alles hilft dir überhaupt nicht weiter«, stellte Alfred fest.
    »Ich muss mehr über ihn herausfinden.«
    Alfred schaute auf seine Armbanduhr. »Gehen wir erst mal.«
    Klara folgte ihm in den Laden. Alfred blieb an der Tür stehen und lugte durch die verspiegelte Glasscheibe.
    »Kennst du eine Frau mit einem altmodischen Hut mit Federn?« fragte er.
    »Was?«
    »Die steht da drüben und schaut her.«
    »Nein.«
    »Jetzt kommt sie über die Straße. Scheinbar will die hier rein. Entweder sie interessiert sich für Astrologie oder … na, wer bei der Kälte Netzhandschuhe trägt …«
    Klara drängte ihn beiseite und spähte hinaus. Die Frau, über deren Anwesenheit in Schlaffkes Gaststätte sie sich gewundert hatte, wartete, bis ein Elektrolaster vorbeigejault war, und kam über die Straße. Zielstrebig ging sie auf den Laden zu, schaute sich die Auslagen an, stieg die zwei Stufen zur Tür hinab und versuchte, hineinzusehen. Sie näherte sich Klara, die zurückwich.
    »Man kann wirklich nicht durchsehen«, hörte sie die beruhigende Stimme von Alfred neben sich flüstern.
    Klara glaubte, das Parfüm zu riechen, dass ihr in die Nase gestiegen war, als sie beide versuchten, der Razzia in der Kneipe zu entkommen. Das Gesicht der Frau kam näher. Sie war hübsch, ein noch jugendliches, naives Gesicht, wenn auch die altmodische Kleidung sie ein wenig flittchenhaft erscheinen ließ. Jetzt holte sie ihr Schminkdöschen aus der Manteltasche und tupfte sich das Puder auf die breiten Wangen. Sie stolperte, kurz war sie ganz nah, stieß mit der Nasenspitze gegen die Scheibe. Klara prallte zurück.
    Alfred neben ihr unterdrückte ein Lachen. »Komm«, flüsterte er. »Wir gehen hinten raus.«

    Eine halb leer geräumte Einzimmerwohnung unter dem Dach in Neukölln. Studentenbude, würde man denken, wenn nicht auf dem Pappschild an der Klingel in sehr schön geschwungenen Buchstaben ein Doktortitel gestanden hätte.
    Ein weiterer Mann kam hinzu, eindeutig ein Arbeiter oder Handwerker mit blauer Arbeitshose und grober Jacke über einem dicken Sweater. Ölflecken auf den Kleidern und an den Händen. Dünn, aber kräftig, von einem Hauch von Askese umgeben. Er arbeitete für die Reichsbahn, wurde Walter genannt und hatte Verbindungen zur Internationalen Transportarbeiter-Föderation. Nicht dass Klara erwartet hätte, dass er zu predigen anfängt, aber gewundert hätte es sie auch nicht.
    Alfred erhitzte Wasser mit einem Tauchsieder in einem Topf und streute irgendwelche Blätter hinein. Walter begann, sie auszufragen, freundlich, aber sehr genau. Es gelang ihr, einen halbwegs glaubwürdigen Eindruck zu machen, indem sie sich zum Mitglied einer obskuren »Society of Libertarians« machte, mit der Ludwig Rinke in London in Kontakt gestanden hatte und die, wie sie wusste, die Ideen des

Weitere Kostenlose Bücher