Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Schmarotzer einer rostigen und zerfallenden Staatsmaschine absetzen und seinen natürlichen Trieben folgen, um eine Gemeinschaft der freien deutschen Menschen zu formen …
»Wir kennen keine Parteien mehr, nur noch das Volk, das, fest organisiert, die Verwaltung der Heimat in die eigenen Hände nimmt«, beschloss Berghaus seine Ausführungen.
Die SA-Offiziere waren die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen, Fleisch und Fisch in sich hineinzustopfen und mit prallen Backen zustimmend zu nicken.
»Bündelung aller revolutionären Kräfte«, nahm Henßler den Faden auf. »Nationalkommunisten, Rätesozialisten, sozialrevolutionäre SA in einer Front! Das ist das Ziel. Die marxistischen Gewerkschaften haben uns schon ein Angebot unterbreitet. Wirtschaftsorganisation von unten. Sozialdemokratische Arbeiter werden überlaufen, wenn sie erst sehen, wohin die Reise geht. Doch wir brauchen die Unterstützung aus Moskau, der Komintern … die Bolschew - … die KPD soll sich einreihen … Stalin verfolgt einen nationalen Kurs, warum nicht Thälmann … und eine deutsche Räterepublik ist das, was Röhm sich sehr gut vorstellen kann … in wirtschaftlichem Gleichklang mit dem russischen Volk …«
Die SA-Männer glucksten »Bravo« und hoben die Gläser, in denen allerdings dekadenter französischer Champagner schwappte.
Ich habe mich nicht getäuscht, dachte Klara, das ist die Hölle … es sei denn, man hat mich in ein Irrenhaus verschleppt, ein Sanatorium für rülpsende SA-Offiziere, geifernde Revolutionsspinner und adelige Volksverführer … besoffen sind die schon, bevor sie die Flaschen hier leer getrunken haben. »Nieder mit Hitler, Goebbels und Göring! Es lebe die nationale und soziale deutsche Volksrevolution!«
Die SA-Offiziere sprangen auf und taten es dem adeligen Berghaus und seinem Adlatus Henßler gleich, hoben die Fäuste zum proletarischen Gruß und stießen dabei die Hacken zusammen.
Klara blieb sitzen. Es war kaum noch zu ertragen, diesen herumkaspernden Nationalrevolutionären zuzuschauen. Sie starrte auf den Tisch. Auf einem Stück des geräucherten Störs thronte ein Klacks Kaviar, ein Stück getrüffelte Pastete lag auf der »Aufschnittplatte«, daneben rosige Roastbeefscheibenund in einer feinen Porzellanschüssel ein Waldorf-Salat. Zum Kotzen.
Sie fand ihre Zigaretten. Der eine SA-Kasper bemühte sich vergeblich, sein Feuerzeug in Gang zu bringen. Klara stand auf, nahm einen Kerzenständer von der Anrichte und gab sich Feuer. Sie fühlte sich wieder sicher. Die einzige Gefahr, die von diesen Männern ausging, war, dass sie einen dazu brachten, ebenfalls den Verstand zu verlieren.
Eine Hand in der Hosentasche, in der anderen die Zigarette, baute Klara sich vor Berghaus und Henßler auf: »Wenn ich Sie richtig verstehe, machen Sie der Komintern das Angebot zur Kooperation.«
»Das Angebot gilt für alle sozialrevolutionären Kräfte von der SA bis zur Arbeiterunion. Abschaffung des Parlamentarismus, der Parteien, Enteignung der Großindustrie und Aufbau einer Staatsorganisation auf Basis einer ständischen Räterepublik.«
»Man könnte Mussolini noch mit ins Boot holen«, sagte Klara scherzhaft.
»Das versteht sich von selbst«, erklärte einer der SA-Offiziere. »Das hat Röhm ohnehin vor.«
Und die einzigen, die übrig bleiben als Opposition gegen die totale Volksorganisation, sind so Leute wie Ludwig Rinke und … ich?
»Es müsste ein Papier geben, ein Angebot, einen Plan oder der Vorschlag dazu …«, sagte sie und dachte dabei: Alles tue ich, jeden Schwachsinn lass ich mir aufbürden, wenn ich nur hier rauskomme.
Berghaus schüttelte den Kopf: »Kein Papier, alles nur mündlich. Und in genau vierzehn Tagen ein Treffen hochrangiger Emissäre in Kopenhagen.«
»Freies Geleit für Thälmann, wir sorgen dafür«, sagte der Brigadeführer. »Wir holen ihn aus der Schutzhaft in Moabit.« »Das kriegen wir hin«, stimmte der Standartenführer zu.
»Und zu Ihrem Schutz, liebe Volksgenossin«, sagte Berghaus süffisant, »haben wir Henßler abkommandiert. Er wird Sie begleiten.«
Klara schluckte die giftige Bemerkung herunter, die ihr aufder Zunge lag, ihr war ein anderer Gedanke gekommen: »Was ist mit dem Brand im Reichstag? Stecken Sie auch dahinter?«
Schweigen. Die Herren sahen sich an.
»Gute Idee, falscher Zeitpunkt«, sagte Berghaus.
»Jemand ist uns zuvorgekommen«, sagte der Brigadeführer.
»Der Holländer«, stellte Klara fest.
»Allein hätte er das wohl kaum
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