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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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Fliegen mit einer Klappe, dachte Klara, vielleicht auch zwei Ratten in einer Falle.
    Ein vorbeiradelnder junger Forstarbeiter hatte Mitleid mit ihr und nahm sie auf dem Gepäckträger mit zur nächsten S-Bahn-Station.
    »Na, Mädel«, sagte er, nachdem er sie taxiert hatte. »So teure Klamotten und keinen Chauffeur? Falls du einen brauchst, Führerschein hab ich, und dich nehm ich auch ohne Auto.« Klara dankte lachend und gab ihm die Hand zum Abschied. Ein kurzer befreiter Moment.

    Die »Pension Berkemeyer« lag in einer Seitenstraße mit großbürgerlichen Gebäuden in Fußnähe des Reichstags. Pensionen und Hotels gab es hier etliche, wie man an den vielen Messingschildern neben den Portalen erkennen konnte. Neben der schweren zweiflügeligen Tür stand ein Mann in Knickerbockern, Wanderschuhen und dunkelbrauner Lederjacke mit dazu passender Schirmmütze. Er musterte sie genauer, als sie näher kam.
    »Frau Schindler?« Er tippte sich an die Mütze.
    »Ja, bitte?«
    »Sie suchen doch den Waschitzki.«
    Klara nickte.
    »Dann kommen Sie mal mit mir mit.«
    Er fasste sie am Arm. Sie blieb stehen und machte sich los. »So nicht.« Er lachte vor sich hin und ging los. Er versicherte sich mit knappem Blick, dass sie folgte. Sie blieb einige Schritte hinter ihm, achtete auf die Umgebung und ging möglichst nah an den Häusern, während er betont lässig am Kantstein entlangschlenderte. In ein Auto gezerrt zu werden, das würde mir gerade noch fehlen, dachte sie.
    Er bog mehrmals ab, die Straßen wurden enger und ruhiger. Vor der Tür eines Ecklokals blieb er stehen. Butzenscheiben. Klara konnte nicht erkennen, was drinnen los war. Während sie dem Mann gefolgt war, hatte sie die Pistole aus der Manteltasche in den Muff gesteckt und fand sich übertrieben ängstlich. Was kann dir schon passieren, das ist ein ganz normales Wirtshaus mit Mittagskarte.
    Mit wenig glaubhafter höflicher Geste hielt er ihr die Tür auf. »Keine Angst, Gnädigste.«
    »Ich hab keine Angst.«
    Männer, die nach Handwerk aussahen, vielleicht auch Fuhrarbeiter, saßen an Tischen und aßen Sauerkraut, wie man deutlich roch. Klaras Begleiter lief an ihr vorbei zielstrebig auf eine Ecknische zu, die durch ein verziertes hölzernes Gitter vom Gastraum abgetrennt war. Der korpulente Wirt blinzelte müde aus geröteten Augen, hinter ihm in der Küche zischte und klapperte es. Wie ein Hinterhalt sah das hier nicht aus. Klara entspannte sich.
    Dennoch legte sie den Muff sorgfältig neben ihren Sitzplatz, bevor sie zuließ, dass der Mann ihr aus dem Mantel half. Sie bestellte Bier, er einen Apfelsaft.
    »Sie sind Waschitzki«, stellte sie fest, nachdem er ihr mit großer Kavaliersgeste Feuer gegeben hatte. Sie blies ihm den Rauch ins Gesicht. Er bemühte sich, ihn höflich an ihr vorbeizupusten.
    »Sind Sie sicher?«
    Klara zuckte mit den Schultern. »Wer hat Ihnen gesagt, dass ich auf dem Weg zu Dr. Albrecht bin, Henßler, Berghaus?« Er nickte. Klara merkte, dass sie in ein Gesicht blickte, dem jeder echte Charakter zu fehlen schien. Im Augenblick wirkte es völlig ausdruckslos. Und wenn er etwas hineinlegte, dann war es gespielt, falsch und wertlos, um durch Beobachtung auf seinen Charakter oder seine Beweggründe schließen zu können.
    »Gehören Sie zur SA?«
    »Und wenn? Die SA hat viele Gesichter.«
    »Henßler hat behauptet, Sie hätten van der Lubbe in den Reichstag geführt.«
    »So? Hat er das? Glaub ich nicht.«
    »Vielleicht sind Sie ja auch ein linker Revolutionär. Es scheint da ja eigenartige Vermischungen zu geben …«
    »Tja, wer weiß.«
    »… ziemlich dumme Strategien von dekadenten Salonlöwen, die sich in der radikalen Boheme herumtreiben, vielleicht einfach nur aus Sensationsgier«, führte Klara ihren Gedanken zu Ende.
    »Oh, unterschätzen Sie Henßler und Berghaus nicht. Sie sind sehr enthusiastisch.«
    »Wofür treten sie denn ein?«
    Waschitzki lachte vor sich hin. »Warum fragen Sie das mich? Ich habe andere Interessen.«
    »Und welche wären das?«
    »Mein Wohlergehen.«
    »Ah.« Sie schob ihm die Schachtel mit den Manolis hin. Er griff danach wie einer, der sich gerne bedient. Schau nicht auf sein Gesicht, schau auf seine Hände und wie er sich bewegt.
    »Ich habe mich von der vorherrschenden Krankheit kuriert. Sie sehen ja, wie es ist, fast alle sind befallen, es ist eine Epidemie, ein Wahn, der alle erfasst hat, ein wilder Wahn, alle sind Sklaven ihrer Ideen und schlagen wie die Berserker auf jene ein, die andere Ideen

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