Unter dem Teebaum
Weiche und Warme in seinem Wesen zum Vorschein. Nur bei ihr konnten seine Hände zärtlich sein. Nur sie, schien es, liebte ihn und empfing von ihm Liebe.
Ansonsten war Steve verbittert, und es gab nichts, das ihn aus seiner Verbitterung herausreißen konnte. Nicht einmal mehr Margaret schaffte das. Sie hatte sich wohl einmal zu oft für den kleinen Jonah ausgesprochen. Steve aber hatte beschlossen, dass man entweder für ihn oder für Jonah sein konnte. Und jeder, der für Jonah war, war sein Feind: seine Frau, sein Schwiegervater, ein Teil seiner Arbeiter, Saleem und Aluunda.
Manchmal bedauerte Amber die Einsamkeit und Verbitterung ihres Ehemanns. Doch dann sah sie ihren Sohn an und wusste, dass sie sich richtig entschieden hatte. Niemand konnte Steve helfen. Nur er selbst. Und das tat er nicht. Margaret hatte am längsten Geduld mit ihm gehabt.
Ralph Lorenz war Ambers Vertrauter und Freund geworden. Er tat zwar noch immer so, als käme er hauptsächlich, um seine Mutter zu sehen, die nun täglich auf dem Gut war und Aluunda und Amber unterstützte, doch jeder, der Augen im Kopf hatte, wusste, dass das nicht stimmte. Er kam wegen Amber, brachte ihr Süßigkeiten mit, lachte mit ihr, war freundlich zu Jonah und Emilia. Er mochte die Kinder, das wusste Amber, und sie wusste auch, dass er sich besonders zu Jonah hingezogen fühlte.
Jonah war zu einem schweigsamen, aber freundlichen Jungen herangewachsen. Seit fünf Jahren ging er in die Schule nach Tanunda. Er war das einzige Mischlingskind dort und wurde von vielen Mitschülern verspottet. Doch er störte sich nicht daran; er war Einsamkeit gewohnt. Und er hatte den Stein seiner Ahnen, den er stets bei sich trug.
Einmal aber war er weinend nach Hause gekommen.
»Was ist mit dir? Warum weinst du?«, hatte Amber ihn gefragt.
»Unsere Lehrerin hat verboten, dass ich mich weiterhin neben Diana setze. Ich soll überhaupt nicht neben einem weißen Kind sitzen. Sie hat mich nach vorn geholt in die Eselsbank. Dort sitze ich jetzt allein, damit ich die anderen Kinder nicht störe. Aber Mama, ich habe nie gestört.«
Amber war empört gewesen. Mehr als das. Sie hatte zum Telefon gegriffen und sich mit Miss Wohlwood verbinden lassen.
»Warum muss mein Sohn allein sitzen?«, hatte sie gefragt.
»Es ist für uns alle das Beste. Wir haben keine schwarzen Schüler an dieser Schule. Eigentlich gehört Jonah in die Missionsschule. Ich möchte einfach sichergehen, dass er den Unterrichtsablauf nicht stört.«
»Schwatzt er, macht er Unfug, lernt er schlecht?«, hatte Amber nachgehakt.
Miss Wohlwood hatte zugeben müssen, dass nichts davon zutraf.
»Ich verlange, dass Sie Jonah dort sitzen lassen, wo er sitzen möchte.«
Miss Wohlwood hatte ein wenig herumgedruckst. »Nun, auf dem Elternabend, bei dem Sie nicht zugegen waren, ist beschlossen worden, Jonah ein wenig zu separieren. Ein schwarzes Kind gehört nicht in eine weiße Klasse. Die Entscheidung ist fast einstimmig angenommen worden.«
»Ich verstehe«, hatte Amber entgegnet. Sie wusste, dass sie Jonah nicht helfen konnte. Sie hatte versucht, was möglich war, aber gegen einen Beschluss der Elternversammlung anzugehen hätte für Jonah nur noch mehr Ärger bedeutet.
»Fast einstimmig?«, hatte sie nachgehakt. »Was heißt das?«
Miss Wohlwood hatte sich auf ihre nicht vorhandene Schweigepflicht berufen wollen, doch Amber konnte sie daran erinnern, dass es ihr Recht sei, über alles, was auf der Elternversammlung gesprochen wurde, informiert zu werden.
»Eine Mutter hat gegen den Beschluss gestimmt. Sie war sogar bereit, ihre Tochter neben Jonah sitzen zu lassen. Sie meinte, das Mädchen wäre mit ihrem Sohn befreundet.«
»Wer war diese Mutter?«, hatte Amber gefragt und sich vorgenommen, ihr zu danken.
»Nun, es war die Mutter von Diana.«
Maggie. Gute, alte Maggie, hatte Amber gestaunt.
Sie war ihr sehr dankbar, aber trotz Maggies Hilfe gehörte Jonah seit diesem Tag noch mehr zu den Außenseitern als vorher. Nein, es war schlimmer. Er gehörte nicht einmal zu den Außenseitern. Nicht einmal die wollten etwas mit ihm zu tun haben. So kam es, dass er auf dem Schulhof meist allein stand, bei Mannschaftsspielen bis zuletzt auf der Wartebank saß und niemals zu einem Kindergeburtstag eingeladen wurde. Er ging in die Schule, lernte, erledigte seine Hausaufgaben, aber im Grunde war er das einsamste Kind, das Amber kannte. Es riss ihr das Herz in Stücke, doch sie konnte ihm nicht helfen.
Am Nachmittag, nach der
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