Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
vernehmen ließ, hatte ich endgültig genug. Sie hatte ihn lange genug angestarrt.
» Okay, wir sollten jetzt wirklich los«, sagte ich unvermittelt.
» Was?« Mom sah mich vorwurfsvoll an. » Bleibt ihr denn nicht zum Abendessen?«, fragte sie enttäuscht und sah mich vorwurfsvoll an.
» Ich hatte Alice missverstanden«, erklärte Jack mit übertrieben tröstender Stimme. Doch mir war alles recht, was uns ohne einen Streit von hier wegbrachte. » Ich habe schon zu Hause gegessen und für später etwas für uns geplant. Wir müssen wirklich los.«
Meine Mutter suchte nach einem Vorwand, um ihn in der Wohnung zu behalten, doch ich gab nicht nach. Ich flüchtete in den Hausflur, während sie sich verabschiedeten, doch auch dort hörte ich den ungewöhnlich süßen Tonfall meiner Mutter, mit dem sie Jack alles Mögliche zugurrte.
Als Jack es endlich in den Flur geschafft und die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, schüttelte ich mich angesichts dessen, was ich soeben miterlebt hatte.
» Was ist?« Jack schaute mich lachend an, während ich den Aufzugknopf drückte.
» Oh mein Gott, das war so abartig!«
» Ich dachte eigentlich, dass es sehr gut gelaufen ist.« Jack grinste. » Deine Mom scheint mich zu mögen.«
» Ugh, sie war scharf auf dich«, stöhnte ich. Der Aufzug ging auf, und wir stiegen ein. Mit dem Rücken an die Aufzugwand gelehnt, schüttelte ich den Kopf. » Das war so peinlich.«
» Es ist nicht meine Schuld, dass alle scharf auf mich sind.« Jack lachte erneut und drückte den Knopf für die Eingangshalle. Und ich wusste, er sagte das nur zum Teil, um mich zu ärgern.
» Ich bin nicht scharf auf dich«, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
» Ja, ich weiß.« Jack wurde ernst und schwieg für den Rest der Fahrt, wobei ich nicht wusste, ob er das tat, weil er enttäuscht darüber war oder weil er es einfach nicht verstehen konnte. Als wir im Erdgeschoss angekommen waren und sich die Türen des Aufzugs öffneten, wechselte er abrupt das Thema. » Dein Bruder ist also schwul?«
» Quatsch, mein Bruder ist nicht schwul«, sagte ich zornig und trat aus dem Aufzug.
Es hätte mir eigentlich nichts ausgemacht, wenn mein Bruder schwul gewesen wäre, aber er war es nicht. Ich meine, ich hätte es gewusst, wenn er es gewesen wäre.
» Ach, dann hat er es dir noch nicht erzählt?« Jack steckte die Hände in die Hosentaschen und folgte mir, während ich in die kühle Nachtluft hinausstürmte.
Draußen fiel mir ein, dass ich nicht wusste, wo er geparkt hatte, geschweige denn mit welchem Auto er gekommen war, und ich wartete auf ihn.
» Da gibt es nichts zu erzählen«, beharrte ich, während wir ein paar Meter den Block entlang zu seinem Jetta gingen.
» Ach, komm schon«, spottete Jack. » Dir muss doch aufgefallen sein, wie er mich ansah.«
» Jeder sieht dich so an.« Ich überlegte, konnte mich aber nicht genau erinnern, ob Jungs ebenso auf ihn reagiert hatten wie Mädchen.
Jeder verhielt sich ihm gegenüber außergewöhnlich freundlich, doch ich war mir ziemlich sicher, dass Jungs ihn nicht mit jenem speziellen Blick ansahen, wie meine Mom und Jane es taten.
» Nein, nicht jeder.« Jack drückte die Entriegelungstaste seines Autoschlüssels, und die Türschlösser des Jettas sprangen mit einem lauten Piep auf.
» Wie funktioniert das also?«, fragte ich und öffnete die Beifahrertür. » Wirken deine Pheromone nur bei den Menschen, die sich ohnehin schon sexuell zu dir hingezogen fühlen?«
Jack wartete, bis ich meine Frage vollendet hatte, und stieg dann einfach ins Auto ein, und ich wusste, das war seine offizielle Antwort.
» Du sagst besser nichts zu deinem Bruder«, sagte er, nachdem ich eingestiegen war.
Er drehte den Zündschlüssel und ließ den Motor kurz aufheulen, bevor er aus der Parklücke fuhr.
» Wenn er es dir noch nicht erzählt hat, ist er wahrscheinlich noch nicht bereit dazu.«
» Er ist nicht schwul«, beharrte ich. » Er ist erst fünfzehn.«
» Ja klar, weil du mit fünfzehn ja auch noch nicht wusstest, dass du hetero bist.« Jack verdrehte die Augen.
» Woher willst du wissen, dass ich hetero bin?«, konterte ich. Ich war zwar hetero, aber das konnte er ja schließlich nicht wissen. » Das würde erklären, warum ich mich nicht zu dir hingezogen fühle.«
» Du fühlst dich zu mir hingezogen.« Er hielt seinen Blick geradeaus gerichtet und drehte an der Stereoanlage herum, bis die leisen Klänge von Joy Division aus den Lautsprechern
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